Internationale Verklemmungen

Ein junges moslemisches Paar, das sich über die in der pakistanischen Provinz noch geltenden gesellschaftlichen Regeln hinweggesetzt hatte und durchgebrannt war, hat für seine Liebe teuer bezahlen müssen. Das Verbrechen der jungen Liebenden bestand vor allem darin, daß sie ihr Leben selbst in die Hand genommen hatten. Nach kurzer Flucht wurde das Liebespaar augespürt und vors Dorfgericht geschleppt. Der vergreiste Rat der Ältesten befand die beiden der Mißachtung der Tradition für schuldig und verurteilte sie zu je 15 Stockhieben. Während die mittelalterliche Strafe dem jungen Mann unter den Augen von rund 15.000 neugierigen Menschen verabreicht wurde, blieb der Frau wenigstens die Öffentlichkeit erspart. Außerdem verdonnerten die Dorfältesten die armen Turteltauben zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet rund 3.300 Mark — angesichts des pakistanischen Durchschnittsverdienstes von etwa 600 Mark im Jahr ein Vermögen.

In China sehen sie Liebe zwar etwas lockerer, aber bei öffentlicher Erotik hört auch hier der Spaß auf. Da hatte zum Beispiel ein amerikanischer Sonnencreme-Produzent die Idee, einen Schönheitswettbewerb in der Verbotenen Stadt zu veranstalten. Die Vorbereitungen waren schon ziemlich weit fortgeschritten, als der Kulturminister den Rummel verbot. Der verkalkten kommunistischen Führung drehte sich anscheinend der Magen um bei dem Gedanken, ihre jungen Genossinen in Badeanzügen einen Laufsteg entlang marschieren zu sehen.

So weit, so schlecht, sagt sich der aufgeklärte Mensch. Pakistan, China, das sind halt Länder, die unter einer anachronistischen Verklemmung leiden. Im freien Westen haben wir diese Probleme längst vergessen. Oder nicht? In den USA, in Wichita im Bundesstaat Kansas, gibt es ein sehr strenges Nacktverbot auf Bühnen. Letzten Monat gab's wieder einmal einen handfesten Skandal, als das Musical Hair aufgeführt wurde. Im ersten Akt ließ der Hauptdarsteller kurz die Hosen runter, gleichzeitig trat eine nackte Frau auf, deren Körper mit den Worten „Freiheit der Meinungsäußerung — Gott schütze Amerika“ geschmückt war. Die Zuschauer spendeten zwar ausgiebig Applaus am Ende des Stücks, aber die Mitarbeiter des Bühnenlokals drängten ihre Geschäftsleitung, Anzeige gegen die beiden Schauspieler zu erstatten. So wurde der acht Sekunden dauernde Nacktauftritt der beiden mit einer gebührenpflichtigen Verwarnung belohnt. Karl Wegmann