Ausgereizter Seelenbalsam

■ Rund 400 Bremer Skat-Spieler ermittelten ihre MeisterInnen

Die Luft ist zur stinkenden Nebelwand verräuchert, die Mienen gleichen in ihrer Bewegungslosigkeit Masken — nur die Zigarette wippt im Mundwinkel auf und ab. Die Totenstille wird in unregelmäßigen Abständen von Faustschlägen auf die Spieltische unterbrochen. Nicht Cincinatti- Kid sitzt hier in einem dunklen Hinterzimmer — dies sind die Bremer Skatmeisterschaften.

Rund 400 hauptsächlich männliche Zocker spielten am Wochenende im Hotel Zum Landgrafen in Huchting ihre Champions aus. Dabei ging es, nach Geschlechtern getrennt, auch um die Qualifikation für die norddeutsche Meisterschaft. Um solche Ehren zu erlangen, hatten die SpielerInnen erst ein aufreibendes Mammutprogramm zu absolvieren. An den zwei Tagen mußten die Skatsportler jeweils acht Stunden nahezu ununterbrochen reizen, auf den Tisch hauen und die Hosen runter lassen. Doch dann lagen acht Serien zu je 48 Spielen hinter ihnen, und diejenigen mit den meisten Punkten hielten einen Pokal in der Hand.

„Skat ist Sport“, meint Willy Janssen, Vorständler des Bremer Skatclubs. „Denn solch ein Turnier verlangt von den Spieler sehr viel Konzentration und Ausdauer.“ Den SportlerInnen stand die Anspannung im Gesicht geschrieben. Da helfen nur viele Zigaretten und etliche Tassen Kaffee. „Alkohol wird bei einem Turnier kaum getrunken. Höchstens in jeder Runde ein paar Biere und bei einer dreistelligen Schnapszahl als Spielergebnis eine Runde Korn“, weiß Janssen. „Mit der Disziplin ist es auch so eine Sache“, meint er, „bei einem Wettkampf darf ich zu niemanden Schafskopp sagen, wenn der schusselig spielt.“ Ob so viel Konzentration und Disziplin umgab die SpielerInnenherrschar dann eine Aura des Schweigens.

„Das Spannende an unserem Spiel ist, daß es jedesmal anders ist. Es gibt Trillionen Möglichkeiten. 60 Prozent sind Glück und nur 40 Prozent Können - es bleibt immer abwechslungsreich,“ begeistert sich Erika Suhlig für ihren Sport. Sie ist — als erste Frau, die den Deutschlandpokal gewann — eine Ausnahme. Frauen sind im Skatsport unterrepräsentiert. Nur knapp ein Achtel der nahezu 2000 Bremer Skatfreunde sind weiblich. In 112 Bremer Clubs mit Namen wie „Karo Bube“ oder „Mutti schimpft“ träumen sie allwöchentlich vom Grand Ouvert. Erika Suhling kann sich das Ungleichgewicht jedoch auch nicht so recht erklären. „Vielleicht liegt es daran, daß man meistens in der Kneipe Skat spielt. Frauen gehen nun mal nicht so viel dorthin.“ Janssen jedoch weiß zu berichten: „ Nach einer harten Woche ist für viele Männer der Club Balsam — Erhohlung von Familie und Beruf. Dort sprechen wir auch über private und intime Themen.“

Manche Maniacs können auch im Urlaub nicht von ihrer Passion lassen. Der Skatclub Moordeich veranstaltet eine Zocker-Tour nach Spanien zu einem Skatturnier. Gut Blatt und Prost. Hajo Oltmanns