Mozart ohne Glanz

■ Bremerhavener Premiere von „Figaros Hochzeit“ / Zu derbe Sprache für die feine Musik

Johannes Felsenstein, in Bremerhaven Oberspielleiter für die Oper und Sohn eines berühmten Vaters, hat vor zwei Jahren mit einer respektablen Cosi fan tutte Inszenierung gezeigt, daß er Mozart leicht und spritzig in Szene setzen kann. Mit „Figaros Hochzeit“ — Premiere am letzten Freitag — hat er den Charme und den temporeichen Witz seiner Cosi fan tutte nicht erreicht. Lag es am allzu schlichten Bühnenbild, hellen, dicht gehängten Stoffbahnen, zwischen denen jeweils Fensterbögen, Galerie oder Gartenlandschaft plaziert werden konnten? Oder ist Felsensteins Neigung, Gefühlsausdruck in detaillierte Bewegungsabläufe zu übersetzen, diesmal bei dem Ensemble nicht recht angekommen, so daß viele Verrenkungen gespreizt und angestrengt wirkten statt slapstickhaft komisch oder sinnfällig?

Daß der dreieinhalbstündigen Aufführung der innere Zusammenhalt fehlte, lag nicht am Orchester, das — unter der Leitung Leo Plettners — zügig und schön musizierte, und es lag nicht an den Sängerinnen. Minako Futori ist eine liebenswerte, fast schelmisch auftretende Susanna, mit warmer, klangstarker Stimme, Hedi Klebl könnte zwar die Gräfin Almaviva selbstbewußter geben, aber stimmlich überzeugt sie ebenso wie Kathryn Dineen, die den Pagen Cherubim zur glänzenden Paraderolle gestaltet.

Schwach sind dagegen die tragenden Männerrollen: Mario Taghadossi spielt Figaro als unbedarft-fröhlichen Naivling. Der Kammerdiener des Grafen bleibt eine Oberflächen-Figur, ein schöner Gigolo ohne Ausdruck, ohne Zwischentöne und Tiefenschichten (mit angenehmer, aber wenig intensiver Stimme, die zudem das vom Orchester vorgegebene Tempo nicht immer hält).

Im vierten Akt darf Figaro zur Arie über die Frauen (“Ihr Männer, seht genau sie an...“) von der Bühne ins Parkett springen, um eine Zuschauerin von ihrem Sitz zu scheuchen, und Susanna wälzt sich liebestrunken singend am Bühnenboden. Bilder, die die Inszenierung ins Peinliche abrutschen lassen. Aus dem unirdischen Glanz der Mozartschen Komödie droht deftiges Ohnesorg- Theater zu werden.

Mag sein, daß die hier zugrundegelegte neue deutsche Textfassung des Felsenstein-Vaters Walter zu solch derben Formen führt, mir jedenfalls will es nicht gelingen, den banalen Text mit Mozarts Musik in irgendeinen Zusammenhang zu bringen. Das Bremerhavener Stadttheater sollte sich von dem bisher gepflegten Prinzip, eine italienisch- sprachige Oper auf deutsch vorzutragen, endlich verabschieden. Der Wohllaut der italienischen Sprache kommt dem Geist Mozarts mehr entgegen als die deutsche Deutlichkeit (die ohnehin nur bei den wenigsten SängerInnen zu verstehen ist). Ein Mozart ohne Glanz — das sollte im Mozartjahr nicht alles gewesen sein. hans happel