VoBo-Boykotteur ist auf der Flucht

■ Peter K. wird polizeilich gesucht, weil er die Volkszählung boykottierte und noch immer nicht dafür büßen will/ Polizei will 69jährige Mutter erst »in Ruhe lassen«, wenn er Ordnungsgeld bezahlt

Tegel. Wenn, einem alten Sprichwort zufolge, der Stärkere auch nachgeben soll: Der Staat tut es nicht. Obwohl die umstrittene Volkszählung knapp vier Jahre her ist, verfolgen Staatsanwälte unnachgiebig diejenigen, die damals das mehrere Seiten dicke Formular des Statistischen Bundesamtes nicht ausfüllten und sich bisher auch weigern, das entsprechende Ordnungsgeld zu zahlen oder sich begnadigen zu lassen.

Einer, den die Behörden jetzt zu fassen bekommen wollen, ist Peter K. Ihn wollen sie für eine fünftägige Beugehaft in die Justizvollzugsanstalt Lehrter Straße stecken. Allerdings hätte er auch danach noch die Staatsschulden zu begleichen. Die Polizei fahndet dem 38jährigen Sozialhilfeempfänger seit eineinhalb Wochen intensiv hinterher — doch der Gesuchte meidet seitdem seine Einzimmerwohnung in Tegel und besucht auch nicht mehr seine Mutter, weil dort schon zwei Mal Zivilpolizisten auftauchten. »Ich bin auf der Flucht«, sagt Peter K. über sein derzeitiges Leben.

Der harte Volkszählungsgegner müßte nicht in den Knast. Er könnte bei der Justizsenatorin Gnade beantragen, dann würde er vermutlich keinen Pfifferling von den 650 Mark — Bußgeld und Gebühren für zwei Gerichtsverfahren — zahlen müssen. Die Sache wäre erledigt. Aber Peter K. will nicht. Begnadigen wollen könne man sich nur, wenn man an etwas schuld sei. Doch wer die Volkszählungsbögen nicht ausgefüllt habe, der habe nichts verbrochen, sondern nehme lediglich sein Recht auf »informationelle Selbstbestimmung« wahr, meint er. Sein halbes Dutzend Freunde aus der VoBo- Ini im Mehringhof denken genauso. Das Überbleibsel einer massenhaften Bürgerbewegung, die einst den Daten-gierigen Überwachungsstaat in George Orwells Buch »1984« zurückvertreiben wollte, will sich seinen Willen nicht brechen lassen.

Nun taucht die Polizei bei Gertrud K. auf. Zwei Mal waren die Ordnungshüter bei Peter K.s Mutter in der Iller Zeile in Tegel. Der 69jährigen sind die unangemeldeten Besuche »unangenehm«. Ihr ganzes Leben lang habe sie nichts mit der Polizei zu tun gehabt — »außerdem ist das allein die Sache meines Sohnes«, erklärt sie. Aber die würden wohl denken, eine alte Frau könnten sie einschüchtern. Nach ihrer Darstellung versuchen die Männer in Trenchcoats dies tatsächlich, denn beim letzten Besuch am Montag sollen sie der alten Frau angedroht haben, sie erst in Ruhe zu lassen, wenn ihr Sohn zahlt. Dirk Wildt