Danebengegriffen-betr.: "ParteifreundInnen" (Die Politikerin Renate Damus, der Journalist Henryk Broder und grüner Antisemitismus), Kommentar von Götz Aly, taz vom 26.2.91

betr.: „ParteifreundInnen“ (Die Politikerin Renate Damus, der Journalist Henryk Broder und grüner Antisemitismus),

Kommentar von Götz Aly,

taz vom 26.2.91

Ströbele nennt Broders Behandlung eines Interviews „perfide“, Damus findet ihn „schmierig“. Das sind herbe Einschätzungen; aber warum sollte gegen einen Journalisten nicht polemisiert werden, wenn er jüdisch ist? Es erscheint mir nicht als besonders philosemitisch, alles Jüdische mit einem Tabu zu belegen. Wenn Götz Aly aus der Polemik der beiden Grünen nun auch noch einen Angriff im 'Stürmer‘-Stil auf „die ,perfiden‘ und ,schmierigen‘ Juden“ heraushört und den Untergang Israels herbeigesehnt findet, dann muß er sich den Vorwurf der Demagogie gefallen lassen. Der Antisemitismus, speziell der deutsche, ist ein so ernsthaftes Problem, daß seine Verwischung durch eine gedankenlose Rhetorik nicht hingenommen werden kann. Eckhard Siepmann, Berlin

Christian Ströbele ist kein Antisemit! Götz Aly hat mit dieser Behauptung mehr als nur danebengegriffen: Das riecht nach Aasgeierei, nach alten Rechnungen, nach Inquisition. Da man ihn über Antisemitismus so wenig belehren muß wie Christian Ströbele über die Wirkung der eiskalten Provokation seines Interviews mit Henryk M.Broder, bleibt die Frage, weshalb er Ströbele just das unterstellt, was er nicht ist.

Mich hat an Ströbeles Interview die pharisäerhafte Selbstgerechtigkeit, vor allen Dingen aber die ungebrochene „Der Zweck heiligt die Mittel“-Haltung empört: Wenn die Politik der israelischen Regierung auf Konfrontation und militärische Überlegenheit statt Versöhnung ausgerichtet war, dann muß das Volk eben auch die deutsch-irakischen Raketen ertragen. Wenn dagegen im Namen der unterdrückten Palästinenser oder der El Salvadorianer Menschen ermordet werden, dann ist dies gerechtfertigte Notwehr. Gibt es ihn also doch, den „gerechten Krieg“?

Bleibt die Frage, welche „unverhohlenen, in normalen Zeiten offensichtlich nur knapp verkniffenen“ Ressentiments Götz Alys Geste des Nachtretens gegen den - zu Recht — Zurückgetretenen speisten. Spricht da ein Konvertit, dessen Mut darin besteht, Positionen, die ihm selbst irgendwann nicht allzu fern waren, öffentlich und klar zu korrigieren, indem er andere dafür verteufelt? Oder störte der richtige Teil von Ströbeles Halbwahrheit dabei, sich über das „cui bono“ des Golfkrieges mit überkompensierendem Philosemitismus auszuschweigen? Sollen da vielleicht die Grünen hilfsweise verantwortlich gemacht werden dafür, daß eine „saubere“ Haltung zu diesem schmutzigen Krieg nur um den Preis unverantwortlicher Weltfremdheit möglich scheint?

So wenig wie es einen gerechten Krieg gibt, so wenig gibt es jedenfalls einen gerechten Rufmord. Und blinde Rechtgläubigkeit scheint grüne und antigrüne ebenso wie arabische und israelische Fundamentalisten zu verbinden. Benny Härlin

Ich habe am Montag in einem Gastkommentar meinem Zorn über die Zerstörung grüner Israel-Politik Ausdruck gegeben. Ich habe auch die Beschimpfung Henryk M.Broders durch Ströbele zurückgewiesen. Wenn jetzt aber, einen Tag darauf, an derselben Stelle Götz Aly Christian Ströbele und Renate Damus zu Antisemiten stempelt und daraus „grünen Antisemitismus“ ableitet, muß man beide Sprecher gegen solchen Vorwurf in Schutz nehmen.

Ströbele hat im Gefühl seiner Ohnmacht nicht erkennen wollen, daß er sein politisches Versagen einzig und allein sich selbst zuzuschreiben hat. Er hat deshalb in aus der Geschichte häufig belegter Manier den Zeugen und Boten seiner Worte beschimpft, er habe das Interview „besonders perfide gestaltet“. Dieser Bote hätte genausogut ein deutscher oder französischer Journalist sein können; Ströbele hätte den gleichen Ausweg gesucht. Aly aber macht aus dem eingangs so wiedergegebenen Zitat im weiteren Verlauf seines Kommentars, Ströbele habe den „perfiden jüdischen Journalisten“' beschimpft.

Renate Damus hatte, so Aly eingangs in der Wiedergabe ihrer Worte, Broder „Schmierenjournalismus“ vorgeworfen. Sie hat sich hierfür drei Tage später entschuldigt. Aly aber personalisiert auch hier im weiteren Verlauf seines Kommentars wieder: Damus habe „den aus Kattowitz stammenden Broder als schmierig charakterisiert“. Nach solch sprachlichen Glanzleistungen kann er dann die Sprache beider als „unverhohlene Anknüpfung an den 'Stürmer‘ und die 'Nationalzeitung‘“ bezeichnen und damit enden, daß nun also „plötzlich wieder die schuld sind, die in Deutschland immer schuld waren: die ,perfiden‘ und ,schmierigen‘ Juden“. Ich weiß nicht, welcher Umgang mit Worten und Vorstellungen leichtfertiger ist, der der beiden Vorstandssprecher oder der des Kommentators, der Broder erst in einen Zusammenhang bringt, den ich trotz allem aus den aus anderen Gründen so schlimmen Worten von Ströbele und Damus nicht herauslesen kann. Helmut Lippelt, Hannover

Nicht nur muß man wissen, ob einer ein Jude ist oder keiner, nein, wissen muß man jetzt laut Götz Aly auch noch, wo einer geboren ist, ob in Krakau oder in Finsterwalde! Diese neue Bedingung, die das Schreiben über Sachen, die mit Israel zu tun haben, so lustig macht, die aber jene schrecken soll, die sich gleich in die Hosen machen, wenn der Broder sie anfaucht, würde dem Faß den Boden ausschlagen, wenn das Faß noch einen hätte. Hat's aber nicht. Götz Aly und die ganze übrige Mischpoke der Israelis und Israeli-Freunde sollen endlich aufhören, mit dem Klingelbeutel durch die Welt zu laufen, um das Ablaßgeld für die grauenvollen Verbrechen, die an den Juden von Deutschen im Dritten Reich begangen wurden, immer neu von denen einzutreiben, die nichts damit zu tun haben. Diese Broders, Alys und wie sie sonst noch heißen mögen, wollen im Grunde nur darüber hinwegschwindeln, daß der Staat der Juden, Israel, als Ort, an dem das natürliche Schutzbedürfnis der Juden eine Heimstatt fand, längst zu etwas anderem geworden ist: zum Ausgangspunkt eines Sendungs- und Elitebewußtseins dort im Nahen Osten, das kein Mittel mehr scheut, sich auch durchzusetzen und zu verwirklichen — und ging die Welt dabei in Stücke.

Aber Aly faselt vom 'Stürmer‘ und der 'Nationalzeitung‘ und merkt gar nicht, daß er längst deren Diktion übernommen hat, die auch schuld daran ist, daß manche, wie Renate Damus, zu Zeiten meinen, sie könnten nicht alles sagen, was sie zu sagen haben. Das ist natürlich Quark, aber hartgesotten muß man schon sein, um sich gegen die Chuzpe durchzusetzen, mit der hier, abseits des realen Sterbens im Golfkrieg, unterstellt, verdreht und schlicht gelogen wird. Klaus W.Kowol,

Gummersbach

Man kann natürlich auch Politik machen, indem man etwas bewußt mißversteht. Neu wäre diese Methode nicht, als Hetze aus allen möglichen Konfrontationen längst bekannt und auch dieser Tage und Wochen in Anwendung gebracht. [...]

Mit einem „Schmierenjournalist“ — vergleichbar dem Ausdruck „Schmierenschauspieler“ — ist ein unqualifizierter, dritt- oder viertklassiger, manipulierender, auf bestimmte Effekte abzielender, also schlechter Journalist gemeint, ein Schimpfwort, das (unsachlich, wie Schimpfworte eben sind) die Arbeit des einen wie des anderen kennzeichnen soll. Über die Person sagt dieses Wort nichts, und ein Journalist, ob er nun gut ist oder schlecht, ist ein exponierter Mensch und sollte ertragen können, daß es Leute gibt, die mit seiner Arbeit nicht einverstanden sind. Auch der Vorwurf des „perfide gestalteten“ Interviews, ob zu recht oder zu unrecht, kritisiert die Arbeit des Journalisten, der unter anderem eben auch Interviews gestaltet, so oder so. Ein Zusammenhang dieser Vorwürfe mit Antisemitismus ist herbeigeredet, und mit dem 'Stürmer‘-etc.-Vergleich gesellt der Kommentator sich zu Franz-Joseph Strauß, der am 25.1.87 (Wahlkampfzeit) in eindeutig die Dinge pervertierender, hetzerischer Absicht die Grünen als „die Nazis von heute“ bezeichnet hat.

Die Schlußfolgerung am Ende des Aly-Kommentars, die ich mich weigere zu zitieren, zeugt wiederum von schlechter, unlauterer Arbeit, ist gezielte Diffamierung, ein Volltreffer (es ist ja Krieg). Einer klärenden Auseinandersetzung mit nicht zu bewältigender deutscher Vergangenheit und offenbar schwer zu bewältigender deutscher Gegenwart dient solches Geschreibe überhaupt nicht. Vielmehr wird die belastete deutsch- israelische Beziehung, die ja noch nie „normal“ gewesen ist (wie denn auch, bei so viel deutscher Verstrickung und Befangenheit?) mißbraucht für geradezu öbszöne Unterstellungen. Barbara Gohlke-Paul, Husum

Ob Henryk M.Broder ein „Schmierenjournalist“ ist, wie ihn Renate Damus vom grünen Vorstand betitelt haben soll, mag ich nicht beurteilen. Aber nachdem ich Götz Alys Kommentar gelesen habe, weiß ich, was darunter zu verstehen ist. Ich werde mich natürlich hüten, ihn als Schmierenjournalisten zu bezeichnen, denn es könnte ja sein, daß er Jude ist, und nach seiner Logik wäre ich dann ein Antisemit in einer Reihe mit dem 'Stürmer‘ und der 'Nationalzeitung‘. So primitiv ist die Welt des Götz Aly. Anstatt sich mit den Argumenten von Ströbele und Damus auseinanderzusetzen, beläßt er es bei billiger Diffamierung.

Dabei wären die Äußerungen von Ströbele es wert, sich näher damit zu befassen. Sie heben sich wohltuend von der durch Presse und Politik verordneten Mär über die Existenzbedrohung Israels ab, mit der es gelungen ist, dem Widerstand gegen den Krieg die Zähne zu ziehen. Bezeichnend für dieses Klima ist die Tatsache, daß Ströbele ob seiner Äußerungen zurücktreten will und Damus ihre Positionen zurückgenommen hat. Es ist mithin zu begrüßen, daß die Grünen-Reise nach Israel ein „Desaster“ wurde, denn erfolgreich hätte sie nur sein können, wenn den meisten israelischen GesprächspartnerInnen nach dem Munde geredet worden wäre. [...] Nico Biver, Marburg