Glanz und Elend der Rindsroulade

In den 60er und 70er Jahren stand die Rindsroulade unangefochten auf Platz Eins der Lieblingsgerichte der Bundesdeutschen. In der letzten Zeit hat das leckere Ding jedoch an Gaumengunst verloren und ist auf Platz Acht abgerutscht. Statt dessen steht heute das Steak an erster Stelle der Nahrungs-Hitparade, dicht gefolgt vom Brathähnchen. Auch die Ostdeutschen sind dem Gummiadler treu geblieben. Platz Eins in den neuen Bundesländern belegt ihr Broiler. Am zweitliebsten essen sie im Osten die inzwischen im Westen verschmähte Rindsroulade. Das behauptet zumindest der Hamburger Nahrungsmittelhersteller Iglo, der unter fast 2.000 West- und 1.000 Ostdeutschen eine Umfrage durchführen ließ. Danach ist unter den Beilagen im Westen der Salat am beliebsten, während die neuen Bundesbürger Rotkohl bevorzugen. Die Ernährungsexperten von Iglo glauben, an Salat müßten sich die Bürger der ehemaligen DDR erst noch gewöhnen, da sie früher immer mit sauer eingelegtem Kohl und Karotten aus der Dose abgefüttert wurden.

Existentielle Probleme mit der Nahrungsaufnahme hatte der 46jährige Diätbrotverkäufer Alfred Hüsecken. Ende letzten Jahres brachte der Mann stattliche 119 Kilogramm auf die Waage. Sein Chef nannte das geschäftsschädigend. Aus Gründen der Glaubwürdigkeit seines Schlankheitsbrotes stellte er seinem dicken Angestellten ein Ultimatum: radikal abspecken bis zum 1. März oder Kündigung. Alfred Hüsecken kämpfte wie ein Mann. Er ernährte sich nur noch vom hauseigenen Diätbrot. Nach einer achtwöchigen Schlacht siegte er schließlich über Appetit und Kalorien, schlug 25 Kilo Körpergewicht in die Flucht und darf nun seinen Job behalten.

In München kam es zu einem schweren Fall von Mundraub. In der Nacht zum Freitag drangen Einbrecher in die Fraktionsgeschäftsstelle der Grünen ein. Nach den bisherigen Feststellungen erbeuteten sie eine äußerst schmackhafte, biologisch- dynamisch erzeugte Dauerwurst, die vom Hof des Landtagsabgeordneten und Biobauern Sepp Daxenberger stammt. Pressesprecher Hanns-Dieter Reichhelm zeigte Verständnis und interpretierte das Verbrechen ebenso scharfsinnig wie treffend. Da ein politischer Hintergrund eher unwahrscheinlich sei, zeige die Tat sehr deutlich, daß die Versorgung Münchens mit Biokost immer noch mangelhaft sei, erklärte er. Auf legale Weise hätten die Einbrecher ihren Heißhunger auf gesunde Produkte offensichtlich nicht stillen können. Karl Wegmann