Kreisreform auf brandenburgisch

Brandenburgs Innenminister will eine zu kurz angedachte Kreisreform durchsetzen/ SPD zerschlägt die alten Verwaltungen „von oben“/ Um sachkompetente Leute einzustellen fehlt es an Finanzen  ■ Von Franziska Hüttl

Potsdam (taz) — Im Potsdamer Landtag legte Innenminister Alwin Ziel das Landesorganisationsgesetz vor, auf das bereits seit Wochen und Monaten all jene besonders warten, die in Kommunen, Kreisen und noch bestehenden Bezirksverwaltungsbehörden ihre Arbeit zum Wohle Brandenburgs leisten wollen. Man muß sich schon fragen, welche Motive die Koalition getrieben haben, so schnell die Veränderung der Kreisstrukturen in die Debatte zu bringen. Noch ist nicht einmal das soziale Schicksal der in den Bezirksverwaltungsbehörden verbliebenen Mitarbeiter klar besiegelt. Der Aufbau der Ministerien läuft äußerst zähflüssig. Noch haben sie nicht die volle Arbeitsfähigkeit erreicht, um unabhängig von den dahinsiechenden alten Verwaltungsstrukturen in den Bezirken ihre Aufgabe zu erfüllen. Ungeachtet der offensichtlichen Überforderung der Stadt Potsdam, die Landesregierung und das Parlament mit allen Bediensteten und später auch deren Familien aufnehmen zu können, wurden häufig bereits vollendete Tatsachen in der Verwaltungsstruktur geschaffen, ohne im Parlament im erforderlichen Umfang demokratisch zu debattieren. Die existierenden Stadt- und Kreisverwaltungen haben vollauf damit zu tun, die für die Gemeinden und Regionen (über)lebensnotwendigen Aufgaben in den Griff zu bekommen. Und die Bürger finden sich weniger denn je zurecht in dem Wirrwarr neuer Zuständigkeiten, Forumulare und Verwaltungsstrukturen.

Erinnern wir uns: Eine der Hauptforderungen der Bürgerbewegung im Herbst 1989 war die Verlagerung von Kompetenzen der zentralen und bezirklichen Ebene auf die Kreise und Kommunen sowie die breite Einbeziehung der Bürger in die Diskussion und Entscheidung wichtiger, sie betreffender Angelegenheiten. Erstmals wieder gab es 1990 freie, demokratische Wahlen, und die neugewählten Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister versicherten einhellig, gleich welcher Partei oder Bewegung sie angehörten, sich für ihre Bürger und deren Belange einzusetzen. Nach nicht mal einem Jahr Arbeit, dem Herumschlagen mit neuen Gesetzen und fehlenden Finanzen bildet sich gerade so etwas wie eine eigene Identität heraus, wachsen Beziehungen zu regionalen Unternehmen und Verbänden, lernten Menschen Ansprechpartner in den Behörden kennen. In diese keimende Hoffnung platzt nun der Innenminister mit seiner angedachten Kreisreform in viel zu kurzen Zeithorizonten hinein. Zwar beschwichtigte er die Zweifler und Warner, doch hat er damit bereits in vielen Kreis-, Stadt- und Gemeindeverwaltungen Angst und Perspektivlosigkeit gesät.

Man ahnt, wer ihm bei diesem Vorschlag die Feder geführt hat, hörte man doch kürzlich aus Nordrhein-Westfalen, die von der Brandenburger Regierung erhoffte, etwa 200 Mann starke Beamtenhilfe käme nur bei einer tiefgreifenden Verwaltungsreform. Die mahnenden Stimmen dagegen aus dem eigenen Land, zum Beispiel von einer Konferenz zur Kreisgebietsreform in Eberswalde-Finow oder von der KOMBA-Gewerkschaft der Kommunal- und Landesbediensteten, scheint der Innenminister geflissentlich zu überhören. Noch Anfang Fabruar sprach Alwin Ziel von „acht Varianten, die von neun bis 20 Kreisen reichen“. Gegenwärtig gibt es 44 Kreisverwaltungen. Die SPD fährt also trotz aller bisherigen Erfahrungen und entgegen der Meinung der Opposition fort, von oben her die alten Verwaltungen zu zerschlagen, ehe von unten etwas neues nachgewachsen ist. Einziges Fazit wird sein: Die Städte geraten noch mehr in die Lage, durch Aufgaben, die sie von den bisherigen Kreisen und Bezirken übernehmen mußten, überfordert zu sein. Um sachkompetente Leute einzustellen und unterzubringen, fehlt es ihnen an Finanzen und Wohnraum. Und den Ministerien mangelt es trotz und gerade wegen der zahlreichen Westimporte an der Sachkenntnis der konkreten regionalen Probleme und darum an Übersicht.

Bereits Anfang des Jahres erwartete der frühere Regierungsbevollmächtigte für Südthüringen, Werner Ulbrich (CDU), „mit dem abrupten Verschwinden der alten Zwischeninstanzen“ in ein „Loch zu fallen“. In dieser Lage will Alwin Ziel nun auch noch das Netz — sprich: Kreisverwaltungen beim Balancieren über dem „Loch“, kappen. Wohin wird Brandenburg dann fallen, in die Unregierbarkeit?