Grenzstreifen soll zur Autopiste werden

■ Verkehrssenator Haase will die neue Autobahn auf dem ehemaligen Todesstreifen mit »Priorität« in Bonn anmelden/ Der Stadtautobahnring soll mit Flughafen Schönefeld und Berliner Ring verbunden werden/ Vier Ausbauvarianten sind im Gespräch

Berlin. Für Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) ist das Projekt so wichtig, daß er es in Bonn mit »Priorität« anmelden will: Auf dem Grenzstreifen zwischen Neukölln und Treptow plant der Senator eine Autobahn, die den Stadtautobahnring mit dem Flughafen Schönefeld und dem Berliner Ring verbinden soll — quer durch Wohngebiete, Kleingärten und Grünflächen. Bereits in der Koalitionsvereinbarung hatten CDU und SPD sich auf eine »Anbindung« an dieser Stelle geeinigt, jedoch offengelassen, ob eine Autobahn entstehen sollte. Für den Verkehrssenator dagegen ist jetzt alles klar. »Das ist nach unseren Vorstellungen eine Autobahn«, sagte Haases oberster Verkehrsplaner Christian Lotze zur taz.

Noch in diesem Jahr will der CDU-Senator die Pläne in Bonn einreichen, damit sie in den neuen Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden können, den Verkehrsminister Günther Krause (CDU) Ende des Jahres vorstellen wird. Eine Detailplanung gibt es allerdings noch nicht, doch Haase kann hier auf ein Gutachten zurückgreifen, das bereits sein sozialdemokratischer Amtsvorgänger Horst Wagner angefordert hatte.

Gutachter Klaus Leichter empfiehlt in seinem — der taz vorliegenden — Papier nicht nur einen vierspurigen Ausbau der Waltersdorfer Chaussee, sondern er erwähnt auch den laufenden Ausbau der Ausfallstraße des Adlergestell in Treptow. Trotzdem erscheint dem Gutachter Leichter eine »zusätzliche Verbindung« für den Autoverkehr »dringend notwendig«.

Vier alternative Trassen hat Leichter bereits auf Vor- und Nachteile hin abgeklopft. Drei dieser »Planungsideen« sehen ein Autobahndreieck am Oberhafen — im Neuköllner Industriegebiet Grenzallee — vor.

Von dort, so Alternative Eins, führt die Süd-Ost-Autobahn entlang des Teltowkanals zum Neubaugebiet Alt-Glienicke und schließlich zum Autobahnzubringer A 113 in Bohnsdorf. Als Vorteile nennt Leichter die »günstige schnelle Führung des Verkehrs«, als Nachteil nennt der Gutachter die »unmittelbare Führung durch den Ortsbereich Alt-Glienicke« und die »schwierige bauliche Gestaltung« mit »Untertunnelung/ Absenkung« der Betontrasse, die daraus folge.

Diese Mängel ließen sich bei Alternative Zwei vermeiden. Die Autobahn würde hier südlich des Flugplatzes Johannisthal vom Teltowkanal nach Süden abknicken und den Grenzstreifen zwischen Alt-Glienicke und Rudow nutzen. Nachteile: Nördlich des Flughafens Schönefeld wäre ein »gewaltiges Bauwerk« mit zahlreichen Auf- und Abfahrten nötig, um die Autobahn mit verschiedenen Landstraßen zu verknüpfen. Und auch diese Trasse käme nicht nur Alt-Glienicke gefährlich nahe, sondern auch dem Naherholungsgebiet Rudower Höhe. Kleiner weiterer Nachteil: Bisher hatte die Senatsumweltverwaltung daran gedacht, hier auch den Grenzstreifen in einen Park einzubeziehen. Weil keine Ortschaften durchquert werden müssen, sei diese Variante wohl politisch am ehesten durchsetzbar, meinen Beobachter, für die Landschaftsplanung wäre sie jedoch die verheerendste Version.

Bei Alternative Drei würde die Trasse nördlich um Alt-Glienicke herumgeschwenkt, statt dessen aber zu einer »Durchquerung des Ortes Bohnsdorf« führen, schreibt der Gutachter.

Alternative Vier schließlich sieht den Abzweig der neuen Autobahn vom Stadtring bereits an der Gradestraße vor. Hier würde die Trasse den Schienen der Neukölln-Mittenwalder Eisenbahn folgen, quer durch Britz, Buckow und Rudow. Große Naturschäden wären die Folge, würde diese Variante in die (Autobahn)Tat umgesetzt.

Der Bahndamm der NME ist nach nach dem gültigen Westberliner Landschaftsprogramm ein »wichtiger Grünzug« und als solcher auch im Flächennutzungsplan ausgewiesen. Der Gutachter selbst nennt einige »Nachteile« dieser Trassenvariante: »Wegfall des Baumbestandes entlang der Bahntrasse«, »Durchschneidung« der Kleingärtenkolonien südlich der Gradestraße sowie »Durchschneidung« der Wohnsiedlung Neuland. Hans-Martin Tillack