Von Haien und Christenkeepern

Eishockeytriumphe entlang der Rheinschiene/ Köln und Düsseldorf bleiben im Halbfinale/ Der Krefelder EV träumt vom Wiederaufstieg nach fünfzehn Jahren  ■ Auf dem Eis Bernd Müllender

Düsseldorf/Köln/Krefeld (taz) — Als sich an der Brehmstraße, gut zwei Stunden vor Spielbeginn, die letzten Fans um die Restkarten balgten, stampften die Cracks des SB Rosenheim noch über die Gangway des Düsseldorfer Flughafens. Es sollte ein Gang in ein Debakel werden, denn die kurzfristige Anreise erwies sich als denkbar schlechte Vorbereitung für ein Eishockeymatch. Schon nach dem ersten Drittel war das dritte Halbfinale bei der DEG verloren, nach einer kampfeslustigen Energieleistung der Düsseldorfer, die nach der 2:5-Niederlage vom Freitag bei einer neuerlichen Niederlage vorzeitig das Eis hätten putzen müssen.

Karl Friesen, Rosenheims sonst so stoisch ruhiger Klassekastenwart, hatte in den beiden ersten Spielen die DEG-Angreifer wie so oft schon durch viele Blitzreaktionen zur Verzweiflung gebracht. Am Sonntag schien der tiefgläubige Christenkeeper seine Fanghände bisweilen noch zum Beten gefaltet zu halten, als der Puck immer wieder, zackzischwusch, an ihm vorbei ins Netz rauschte. Nach noch nicht einmal der Hälfte der Spielzeit stand es 0:7 gegen die Bayern, wobei der DEG das Kunststück gelang, einmal innerhalb von 14, dann sogar von 11 Sekunden das Schwarzgummi zweimal nacheinander einzulochen. Glückstrunken tobte der 11.000-kehlige größte Gemischtchor der Welt und erinnerte sich des fünften Endspiels 1990, als es ganz ähnlich lief und am Ende 8:2 hieß. Diesmal wurde es gar ein 8:1.

„Katastrophal gespielt“, habe der Sportbund, befand Käptn Höfner, „als ob wir Schlaftabletten genommen hätten.“ Auch einige saftige Keilereien hatten sie nicht wecken können. Katastrophal begann das Match auch in Köln — für den gastgebenden KEC, der gegen Berlins Preußen als zweiter favorisierte Rheinverein ebenfalls die letzte Chance hatte. Durch des Preußen Preuß krachenden Schrägschuß aus der 10. Minute schienen die puckrünstigen Haie endgültig gezähmt, gelähmt und entzähnt, doch mit viel Mühe und nach haufenweise vergebenen Torchancen wendeten sie das Blatt noch zum 4:2. Viertes Spiel: Dienstag, Jafféstraße, Berlin.

An einem ganz besonderen Ort abends der dritte rheinische Eistriumph des Sonntags: in der Krefelder Rheinlandhalle. Dies ist 55 Jahre altes Gemäuer, bei dessen Betreten 5.000 Menschen eigentlich jedwede Lebensversicherung verwirkt haben müßten. Da rottet es und rostet an allen Ecken, es bröckelt der Putz und knirscht in allen Fugen. Hier spielt der Krefelder EV, und dies bis heute unbeschadet. Bis 1976 als Spitzenclub der Bundesliga — mit heute wehmütig erinnerten Namen wie Vic Stanfield, Rekordtorjäger Dick Decloe, Schwedens Internationaler Stefan Carlsson, Jan Marek im Tor und Kapitän Lothar Kremershof, den sie „Käptn Faß“ riefen, weil sich die Folgen zu heftigen Fröhnens von Altbierspezialitäten an seinen Hüften partout nicht wegtrainieren ließen. Dann war der Traditionsclub pleite und begann neu unter im Eishockey-Nichts der Regionalligen.

Nach 15 Jahren Eisprovinz war der KEV noch nie so dicht daran, wieder aufzusteigen wie in diesen Wochen. Gegen Aufstiegsrunden- Tabellenführer ESV Kaufbeuren gelang am Sonntag abend ein mühevoller 4:3-Sieg. Damit sind die Krefelder vier Spieltage vor Schluß ganz oben dabei (die genauen Aufstiegsmodalitäten sind nach dem Rückzug der Frankfurter Eintracht, typisch verpennter DEB, völlig unklar). Aber jeder Experte prophezeit den Aufsteigern, ob Krefeld oder andere, in der Eliteliga sportlich und finanziell schwere Zeiten. Kein Wunder: Der Niveausprung ist gewaltig, was das bisweilen arg wilde und unkoordinierte Gestocher um den Puck hinreichend bewies. Urwüchsige Kampfeslust und ungebändigte Entschlossenheit des KEV brachten gegen die spieltechnisch besseren Kaufbeurer zwar spektakuläre Tore und neue Angstschübe vor dem Hallendach bei den wenigen nicht vollends ausgerasteten Besuchern.

Die werden in Krefeld fanatisch aufgepeitscht von einem schrill kreischenden Sprecher, der im Laufe dieser Saison schon zweimal während eines Spiels vom Schiedsrichter zwangsabgelöst wurde, weil er durch sein Mikrofon Gegner und Unparteiische verhöhnt hatte. Doch die noch so heftige Stimmung bleibt künstlich: Früher, zu Zeiten der kreativen Uraltlyrik von der Nordtribüne, wurde der Standardgesang: „Es kommt ein Ruf aus dem Gehölz, ich bin ein Arsch, ich komm aus Tölz“, noch pfiffig mit dem Ruf aus dem Gemäuer auf den sonntäglichen Allgäugast umgedichtet, was damals beifallsumrauscht von den feinen Tribünen kommentiert wurde. Heute klatschen und schreien alle dumpf zur Lautsprechervorgabe.

Wenn nicht millionenschwer in neues Kanadierblut investiert wird, ist man schnell zurück aus der Bundesliga. Doch woher das Geld nehmen, Millionenschulden drücken und erst zum Jahreswechsel stoppte die Sparkasse mit einer Sonderbürgschaft den neuerlichen Konkurs. Eishockeybusineß ist ein Faß ohne Boden, wenn man nicht, wie in Düsseldorf, Zahlungswillige fünfstellig unters Dach bekommt.

In Krefeld sind sie froh, wenn das Dach überhaupt oben bleibt.

1.Abstiegsspiel: PEV Weißwasser — EHC Dynamo Berlin 6:3