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Erst Wirtschaftswachstum bringt das Geld für Umweltschutz

Technokraten aus der Dritten Welt proben vor StudentInnen der Uni Köln die Quadratur des Kreises/ „Umweltmanagement“ verpackt in Klarsichtfolie  ■ Aus Köln Horacio Bauer

Manchmal im Vorfrühling macht die sonst nicht gerade als modernistisch verschrieene Universität zu Köln eine merkwürdige Verwandlung durch: Mitten im Campus, sonst für Autos tabu, parken die Flaggschiffe der deutschen Automobilindustrie. Ein großes Festzelt verdeckt die Statue des Universitätsheiligen Albertus Magnus, Schutzpatron von Weisheit und Wissenschaft. Es ist mal wieder soweit: Der von einem studentischen „Organisationsforum Wirtschaftskongreß e.V.“ veranstaltete „Deutsche Wirtschaftskongreß“ nimmt seinen Lauf, eine Mischung aus Jobanbahnung für betriebsame StudentInnen der Wirtschaftslehre sowie Brain-storming für UnternehmerInnen und SpitzenpolitikerInnen.

Diesmal steht das Ganze unter dem Motto „Umweltmanagment“. Joschka Fischer hat seine Teilnahme an der Podiumsdiskussion erst zugesagt, dann wieder abgesagt. Minister Riesenhuber persönlich gibt sich die Ehre. Hat man erst die vielfältigen Sicherheitskontrollen erfolgreich überstanden, findet man sich wieder in einer postmodernen Messelandschaft, dekoriert als Schlaraffenland der Warenproben. Für die aufwendigen Mogelpackungen stehen Biomülltonnen bereit. Verwirrt blättern wir im Programmheft, und dabei fällt uns ein Unterthema auf: „Umweltschutz in Entwicklungsländern — Kooperationsmöglichkeiten für die Industrie“. Da wir an Vorträgen des Syndikus der Hoechst AG über persönliche Verantwortlichkeit im Umweltstrafrecht oder eines Volvo-Managers über die Unentbehrlichkeit des Automobilverkehrs nicht so recht interessiert sind, besuchen wir die Drittweltleute.

Das Podium ist hochkarätig mit Spezialisten aus drei Erdteilen besetzt. Eingeleitet wird die Vorstellung von Dr. Manfred Niekisch, seines Zeichens Mitarbeiter einer „Stiftung zum Schutz der tropischen Wälder“. Unter seiner Regie sprechen: Prof. Dr. Muni Andrakrishnan, Technologieprofessor und Vizekanzler der Universität Madras, Dr. Durval Olivieri, Straßenbauunternehmer und Generaldirektor der Landesumweltbehörde von Bahia, Prof. Dr. Günter Clar, Direktor eines deutsch-brasilianischen Umweltprojektes und Dr. Kee Kean Chin, Professor für Ingenieurtechnik an der Universität von Singapur. Konferenzsprache ist erklärtermaßen „schlechtes Englisch“.

Zu Beginn redet Prof. Anandakrishnan noch davon, daß von den Umweltproblemen der einen Welt nicht die Rede sein dürfe, weil in den Ländern der Dritten Welt „völlig andere Bedingungen“ herrschten, Umweltverschmutzung also andere Ursachen habe als in den großen Insustrienationen. Nun sind Olivieri und Clar an der Reihe. Sie demonstrieren den modernen amerikanischen Stil der Umweltrhetorik, wie er weltweit auf UNO-Konferenzen und Unternehmertagungen zu hören ist: „Wirtschaftliches Wachstum durch prioritären Einsatz von Technologien, die sozial integrierend wirken, wirtschaftlich sinnvoll und damit ökologisch verträglich sind, ist eine absolute Notwendigkeit für die Bewahrung unserer Umwelt...“. Mit Hilfe einer Fülle von Klarsichtfolien [Öko-Klarsichtfolien!?, säzzer] werden wir zunächst darüber aufgeklärt, daß die Umweltprobleme einzelner Länder sich allüberall auswirken, auch in den „remote effects societies“ (entfernt betroffenen Gesellschaften), worunter wohl wir hier in Europa zu verstehen sind.

Aha. Und was kann man dagegen tun? Nun, der Fehler ist, wie wir staunend erfahren, die durch Proteinmangel verursachte Dummheit der Menschen in der Dritten Welt. Vonnöten seien bessere Information und bessere Ausbildung. Nun wird es kommunikationstheoretisch und philosophisch, europäisch-antikes Denken wird beschworen: Wenn „sophon“ (Geist), „techne“ (hier: „technische Vernunft“) und „poesis“ (hier: „Mobilisierung von Ressourcen“) korrekt aufeinander wirkten, entstünde „action“, und das Problem sei zu lösen. Mathematische Verhaltensmodelle mit Vektoren und Kurven schüchtern uns zunehmend ein; und wie in Trance nehmen wir die abschließende Botschaft entgegen: Industrielle Entwicklung bringt Geld und ist dann wieder gut für die Umwelt. Die Quadratur des Kreises soll ja schon bei den Griechen beliebt gewesen sein.

Nun sind wir Prof. Chin überlassen, der berichtet, daß es in Singapur eigentlich gar keine natürliche Umwelt mehr gebe. Allerdings lenkt dabei ein höchst aktiver Pressfotograf ab, die Herren setzen sich in Positur. Die ruhige Haltung des Inders, der fragile Chin, der smarte Olivieri und Clars brasilianische Restbräune verschwimmen im Zeichen antiker Kommunikationstheorien und digitaler Vernetzung zum Bild des einen gesichtslosen Mannes im Anzug mit Aktenköfferchen, der mit seinen Worthülsen konkrete Probleme ereignislos werden läßt. Und langsam begreifen wir, was hier geschieht: Technokraten aus der Dritten Welt lernen auf Veranstaltungen wie dieser, ihr Vokabular auf den internationalen Stand zu bringen.

Wie war das noch, „sophon“, „techne“, ...bei diesem auf die Verpflanzung westlicher Technologien zielenden Weltmodell wurde das „zoon politicon“ der alten Griechen, die politische Macht, schlichtweg vergessen. Höhepunkt der anschließenden Diskussion ist die Frage einer Studentin für Organisationspsychologie: „Wollen Sie überhaupt, daß wir Ihnen helfen?“ Ehe sich auch nur einer zur Antwort aufraffen kann, dröhnt „Mr. Chairman“ Niekisch: „Wir müssen ihnen helfen...“, denn ohne uns geht nichts.

Die Zeit ist um, die Referenten erhalten ihre gesponsorten Portweinflaschen, die studentischen Hilfskräfte mümmeln den übriggebliebenen Kuchen. An Warenkörben und Sicherheiskräften mit piependen Detektoren und Polizeihunden vorbei drängen wir ins Freie. Von Albertus Magnus, dem Schutzpatron der Weisheit und Wissenschaft, ist immer noch nichts zu sehen.

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