Ausländerpolitik in der Ex-DDR

■ Gespräch mit der "abegwickelten" Ausländerbeauftragten Almuth Berger

taz: Als eine der letzten Einrichtungen, die nach der Wende in der Ex- DDR geschaffen wurden, ist Anfang dieses Monats das Büro der Ausländerbeauftragten der DDR „abgewickelt“ worden. Ist das verordnete Ende Ihrer Arbeit auch ein politisches Signal?

Almuth Berger:Vordergründig ist die Schließung des Büros der Ausländerbeauftragten sicher eine pragmatische Lösung. Die Möglichkeit einer länderübergreifenden Arbeit einer Ausländerbeauftragten war nur solange möglich, wie die Länder bereit waren, für diese gemeinsame Einrichtung auch zu bezahlen. Jetzt kann man natürlich sagen: die Länder haben ihre Selbständigkeit, wir brauchen eine solche gemeinsame, länderübergreifende Einrichtung nicht mehr. Ich sehe darin aber eine Unterschätzung der Frage, wie es mit der Ausländerproblematik in den fünf neuen Bundesländern weitergeht. In den neuen Ländern sind noch sehr wenige Lösungsansätze dafür zu sehen. Da stehen jetzt andere Fragen im Vordergrund, die mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation zu tun haben. Die Problematik der Ausländer wird jetzt erst einmal ganz hinten angestellt. Insofern war es auch eine politische Frage, ob man eine solche Einrichtung einer übergreifenden Ausländerbeauftragten noch weiter betreibt oder nicht.

Ihr Amt ist jetzt abgeschafft. Ist die Ex-DDR damit für Ausländer zum schuztlosen Raum geworden?

Ganz so schlimm ist es glücklicherweise nicht. Es gibt in den neuen Bundesländern eine ganze Reihe von Ausländerbeauftragten in den Kommunen und Landkreisen, die zum Teil auch sehr engagiert und aktiv sind. Und es wird in Berlin ein Büro der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung geben, in dem auch einige meiner früheren Mitarbeiter tätig sein werden. Diese Stelle arbeitet allerdings nur mit einem Drittel der Mitarbeiter, die wir vorher hatten. Insofern kann die Arbeit selbstverständlich nicht in vollem Umfang weitergeführt werden.

Schwingt da auch ein bißchen Enttäuschung über vertane Chancen mit?

Enttäuschung insofern, als ich gehofft hatte, daß durch meine Arbeit wenigstens deutlich geworden wäre, daß es gerade in der augenblicklich sehr schwierigen Situation dringend notwendig wäre, Stellen zu schaffen, die eine Mittler- und Koordinationsfunktion ausüben können. Aber offensichtlich wird das in den neuen Ländern noch wenig gesehen. Man darf natürlich nicht vergessen, daß es das Problem Ausländerfeindlichkeit nicht nur in den neuen Bundesländern gibt, auch wenn die Ausländerfeindlichkeit hier in einer ganz besonderen Weise zum Ausdruck gekommen ist. In den neuen Ländern fehlen einfach bestimmte gesellschaftliche Barrieren gegen die Ausländerfeindlichkeit, die in den alten Ländern schon aufgebaut sind. Dort ist es viel üblicher und viel normaler, mit Ausländern zusammenzuleben, ein Stück von ihrer Kultur kennenzulernen. Dadurch ist es ein Stück mehr allgemeine Norm, sich nicht ausländerfeindlich zu verhalten. Diese Barrieren fehlen in den allgmeinen Moral- und Wertvorstellungen in der früheren DDR.

Was müßte jetzt vordringlich getan werden?

Es müßten ganz schnell die äußeren Voraussetzungen für die Aufnahme von Flüchtlingen und Aussiedlern verbessert werden, um Konfliktpotential abzubauen. Und wir brauchen ganz dringend Konzepte, die der Fremdenfeindlichkeit etwas entgegensetzen, und die für eine offene und vielseitige Gesellschaft werben. Dafür müssen bei uns viele Menschen erst noch gewonnen werden, und das ist eine langwierige Sache.

Da müssen auch die politisch Verantwortlichen, die Parteien und die Medien noch viel stärker eingebunden werden. Es ist noch viel zu wenig getan worden, um zu zeigen, wie eine offene Gesellschaft im Dialog mit Menschen aus anderen Kulturen leben kann. Da reichen auch manche guten Ansätze in den alten Bundesländern nicht aus.

Wenn Sie auf das eine Jahr Ihrer Tätigkeit zurückschauen, hat sich in diesem Zeitraum die Stimmung gegenüber Ausländern in den fünf neuen Ländern verändert?

Ich denke, mit der größeren wirtschaftlichen Verunsicherung hat die Abwehr gegenüber Fremden und die Angst gegenüber Ausländern eher noch zugenommen. Und es ist völlig klar, daß in dem Maße, wie derzeit die Arbeitslosigkeit wächst, auch die Konkurrenzängste steigen.

Auch eine gewalttätigere Abwehr?

Das hat nicht unbedingt zugenommen. Es ist im vorigen Jahr deutlich geworden, daß es eine ganze Reihe von Gruppen gibt, die ihre Feindlichkeit auch in gewalttätigen Auseinandersetzungen zeigen. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Bei vielen Menschen äußert sich die Fremdenfeindlichkeit nicht in Aggressionen, aber durchaus in einer klaren Abwehrhaltung. Die Gewalttätigkeit einiger wird aber dadurch unterstützt, daß in der Öffentlichkeit viel zu wenig dagegen gesteuert wird. Dadurch können solche Gruppen natürlich Oberwasser gewinnen. Auch dadurch, daß die gesamte Unterbringung- und Betreuungsstruktur für die Aussiedler und Flüchtlinge in den neuen Ländern auch erst im Aufbau ist, wächst die Verunsicherung. Die Leute haben das Gefühl: Da kommt ein Riesenproblem auf uns zu, und sie können bisher ganz wenig sehen, daß es auch eine Chance sein kann, mit Menschen aus anderen Kulturen zusammenzuleben und sich dadurch bereichern zu lassen. Der Blick dafür wird noch eine ganze Weile verstellt sein, solange die eigenen Existenznöte und Änste notwendigerweise so im Vordergrund stehen.

Ist es in dieser Situation überhaupt vertretbar, Asylbewerber und Aussiedler in die neuen Bundesländer zu schicken?

Grundsätzlich ist es richtig, daß auch in die neuen Länder Flüchtlinge und Aussiedler kommen. Diesen Grundsatz möchte ich überhaupt nicht in Frage stellen. Die Frage ist nur, ob es gut war, diese Verteilung so schnell vorzunehmen, oder ob man nicht hätte lieber warten sollen, bis die Strukturen dafür aufgebaut sind, bis Unterbringung und Betreuung gewährleistet sind und bis eine Rechtsberatung und eine Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgebaut sind. Mit ein wenig mehr Zeit hätte das Problem wesentlich besser angepackt werden können. Interview: Vera Gaserow