Genfer Schlußverkauf im Saatgutmarkt

Revision des internationalen Sortenschutz-Übereinkommens droht/ UPOV-Konferenz in Genf entscheidet über weitreichende Änderungsvorschläge/ Dramatische Auswirkungen auf Landwirtschaft, Umwelt und Pflanzenzuchtsektor befürchtet  ■ Von Dan Leskien

Zu seinem dreißigsten Geburtstag hat der Internationale Verband zum Schutz von Pflanzenzüchterrechten (UPOV) eine ganz besondere Geschenkidee ausgeheckt. Auf einer Konferenz, die gestern in Genf begann, werden die UPOV-Mitgliedstaaten grundlegende Änderungen des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen diskutieren und beschließen.

Das 1961 von westlichen Industrieländern, darunter der Bundesrepublik, vereinbarte UPOV-Abkommen verpflichtet die 19 Mitgliedstaaten zur Gewährung sogenannter Sortenschutz- oder Pflanzenzüchterrechte. Sortenschutz gilt für jede Pflanzensorte, die neu, unterscheidbar und beständig ist. Erfüllt eine Pflanzensorte diese Voraussetzung, gewährt das Sortenschutzrecht dem Züchter über einen Zeitraum von wenigstens 15 Jahren das Herstellungs- und Vertriebsmonopol. Er allein ist berechtigt, Saatgut oder sonstiges Vermehrungsmaterial gewerblich zu vermehren und zu verkaufen.

Im Vergleich zum weitergehenden Patentrecht nahm sich das Sortenschutzrecht bisher recht bescheiden aus. Um den freien Zugang zu den pflanzengenetischen Ressourcen zu erhalten, gestattete das Abkommen ausdrücklich, mit geschützten Pflanzensorten weiterzuzüchten. Landwirte durften Erntegut, das sie aus dem Anbau geschützter Sorten gewonnen hatten, als Saatgut wiederverwenden. Ebenso durften sie begrenzte Mengen dieses nachgebauten Saatguts an andere Betriebe abgeben. Mit diesen Züchter- beziehungsweise Landwirtsvorbehalten sollte das Sortenschutzrecht den Interessen der Landwirtschaft und der Pflanzenzüchtung gerecht werden. Gerade die Notwendigkeit dieser Einschränkungen ließ auch das Patentrecht als ein ungeeignetes Schutzrecht für Pflanzensorten erscheinen. Patente auf Pflanzensorten hätte bedeutet: Nachbauverbot und Verbot der Weiterzüchtung.

Seit Mitte der achtziger Jahre sah sich die UPOV in Genf unverhofft einer existenzgefährdenden Bedrohung ausgesetzt: dem Patentboom in Sachen Gentechnik. Die zunehmende Patentierung von gentechnischen Verfahren, die auch in der Pflanzenzucht bald Verwendung fanden, wie die Patentierung von Erbgutbausteinen und sogar ganzen Pflanzen machte das Sortenschutzübereinkommen tendenziell überflüssig. Denn wenn ein patentiertes Gen in eine sortengeschützte Pflanze eingebracht wird, verletzt die Verwendung dieser Pflanze zur Weiterzüchtung jetzt das Patent am Gen. Was mit der einen Hand das Sortenschutzrecht ZüchterInnen und LandwirtInnen also gab, würde ihnen mit der anderen vom Patentrecht wieder genommen.

Die Bürokraten mußten reagieren. Ihre Lösung: den Sortenschutz in ein dem Patentrecht vergleichbares Korsett zu stecken. Henk Hobbelink, Vorstandsmitglied im Genetic Resources Action International (GRAIN): „Indem er den Sortenschutz ins Gewand des Patentrechts steckt, zielt der Revisionsvorschlag auf eine Verschärfung und Ausweitung des Sortenschutzes.“

Gänzlich abgeschafft werden soll der Landwirtevorbehalt. In absehbarer Zeit wäre damit LandwirtInnen die Praxis des Nachbaus nicht mehr erlaubt. Sie wären von Jahr zu Jahr erneut gezwungen, Saatgut einzukaufen. Ein gefundenes Fressen für die Saatgutkonzerne, werden doch bis heute in der Bundesrepublik wie auch EG-weit im Schnitt immerhin noch etwa 50 Prozent des Saatguts von den landwirtschaftlichen Betrieben selbst erzeugt.

Katastrophale Folgen hätte die angestrebte UPOV-Revision schließlich für die Staaten der Dritten Welt, also gerade für jene Regionen, deren genetischer Vielfalt die großen Fortschritte der westlichen Pflanzenzüchtung zu verdanken sind. Ein Großteil der in den westlichen Industriestaaten entwickelten Hochleistungssorten beruht auf Wild- und Landsorten, die die Saatmultis gratis aus Dritte-Welt-Ländern abgezockt haben. Nach der kostenlosen Aneignung dieses Züchtungsmaterials könnten die Saatmultis aus der Revision des UPOV-Abkommens nun nochmals Profit schlagen. Sie dürften weiterhin die züchterisch äußerst interessanten Wild- und Landsorten aus Dritte-Welt-Staaten frei verwenden. LandwirtInnen und ZüchterInnen in der Dritten Welt aber wären Nachbau und Weiterzüchtung mit den sortengeschützten Hochleistungssorten der internationalen Saatmultis verboten. Gentechnikindustrie und Saatgutlobby würden künftig beim gewerblichen Rechtsschutz ihrer Laborpflanzen zwischen Patent- und Sortenschutz frei wählen können.