Schiitische Opposition meldet Erfolge im Südirak

Ausmaß des Aufstandes weiter unklar/ Opposition trifft sich in Beirut  ■ Von Beate Seel

Nach den Berichten über Unruhen im Südirak ist die schiitische Opposition im Exil jetzt mit ersten Erfolgsmeldungen an die Öffentlichkeit getreten. In Teheran gab der Führer des Obersten Rates der islamischen Revolution im Irak (SAIRI), Ayatollah Mohammed Bagher Hakim, am Montag bekannt, die Städte Basra und Al Amara würden nicht länger von der irakischen Armee kontrolliert und befänden sich in den Händen der Bevölkerung. Zuvor hatte der Dachverband dreier schiitischer Organisationen in einem in Beirut veröffentlichten Kommuniqúe mitgeteilt, in Basra seien alle Büros der herrschenden Baath-Partei und die Polizeistationen angegriffen worden, Gefängnisse gestürmt und Häftlinge befreit worden. Es habe viele Tote gegeben, möglicherweise Hunderte. Anhänger des SAIRI kontrollierten seit Freitag auch drei weitere Ortschaften und Vororte von Nassariayah — Angaben, für die es zunächst keine Bestätigung gab. Näher am Ort blieb das Bild dessen, was in Basra tatsächlich geschieht, weiter unübersichtlich. Flüchtlinge, die die Stadt verließen, machten gegenüber Journalisten unterschiedliche Angaben über das Ausmaß der Auseinandersetzungen, berichteten jedoch übereinstimmend, die irakische Armee sei gespalten. Diesen Berichten zufolge begannen die Unruhen am frühen Samstag morgen, als ein unbekannter schiitischer Geistlicher anfing zu predigen. Da hätten die Menschen realisiert, daß es nichts mehr gebe, wovor sie Angst haben müßten. Einige irakische Soldaten, auch Angehörige der Revolutionären Garde, verteilten Waffen an die Bevölkerung, sagte Hamad Ibrahim Wali, der mit einer Gruppe von Mitstreitern unterwegs nach Kuwait war, wo er die Alliierten um Unterstützung bitten wollte.

In Bagdad gab es zunächst keinerlei Informationen über die Lage im Süden des Landes. Basra, die zweitgrößte Stadt des Landes, war während des Krieges von den Alliierten stark bombardiert worden. So wäre es wenig überraschend, wenn es gerade hier zu ersten Protestaktionen gegen das Regime kommt. Genausowenig überrascht es freilich, wenn nun politische Organisationen im Ausland versuchen, daraus Kapital zu schlagen, auch, um für sich eine wichtige Rolle in einem Irak nach Saddam Hussein einzuklagen.

Der SAIRI reklamiert, die Mehrheit der irakischen Bevölkerung zu vertreten, da etwa 55 Prozent der Einwohner Schiiten sind. Sie leben vorwiegend im weniger entwickelten Süden des Landes, aber seit Beginn der Landflucht auch in den ärmeren Vierteln Bagdads, wo sie sichere Jobs im Staatsapparat oder auch dem Militär suchten. Demgegenüber hielt die schiitische Bevölkerung der Städte wie Kerbala und Nafaj immer eine gewisse Distanz zur Zentralmacht in Bagdad. Schon während des osmanischen Reiches setzte sich die Führungsspitze des Landes in erster Linie aus sunnitischen Arabern und Türken zusammen, die aus den alten, gebildeten Familien aus Bagdad und Mossul stammten. Eine Tendenz, die sich letztendlich unter dem Baath-Regime fortsetzte, auch wenn die Partei sich nicht explizit mit dem sunnitischen Islam identifizierte.

Die älteste religiöse schiitische Oppositionsgruppe ist Al Dawa Al Islamiya — Der Islamische Ruf —, die heute Teil der Dachorganisation SAIRI ist. Sie ging vermutlich aus einer 1958 von schiitischen Geistlichen gebildeten Gruppe in Najaf hervor, die sich gegen atheistisches Gedankengut wandte, für das damals in erster Linie die Kommunisten standen. Unter dem Namen Al Dawa ist die klandestin arbeitende Gruppe seit 1968 bekannt. Zusammen mit zwei kleineren schiitischen Organisationen bildet sie heute den Obersten Rat der Islamischen Revolution im Irak, dessen Führung eng mit Teheran zusammenarbeitet, was man für die einzelnen Untergruppen nicht unbedingt in diesem Maße sagen kann.

Vor dem Hintergrund der Golfkrise ist es in den letzten Monaten zu einer engeren Zusammenarbeit der völlig zersplitterten irakischen Opposition gekommen. Namentlich die Kurden, die sich in einer eigenen Front von sechs Organisationen zusammengeschlossen haben, bemühten sich, die schiitischen Fundamentalisten, die von einem islamischen Regime in Bagdad träumen, davon zu überzeugen, ihre ablehnende Haltung gegenüber nicht-arabischen oder nicht-islamischen Oppositionsgruppen zurückzustellen. Am 27. Dezember kam es in der syrischen Hauptstadt Damaskus zu einem ersten Treffen, bei dem eine gemeinsame Erklärung gegen den Krieg und für ein demokratischen System im Irak verabschiedet wurde. Nun soll es am 13. März in Beirut zu einer weiteren Oppositionskonferenz kommen, an der sich neben den schiitischen und kurdischen Gruppen auch die Kommunisten und die Baath-Opposition beteiligen — insgesamt 17 Organisationen.