“Zur Durchlüftung solcher Häuser...“

■ Am Tag nach der Wahl: Der neue Bremer Intendant Hansgünther Heyme über die schnelle Liebe und was draus werden soll

Vor kaum zehn Tagen war's, in Paris, da hat der Zadek zu ihm gesagt: „Mensch, warum gehste nicht nach Bremen!“ Gesagt, gehört, gestutzt, getan. Und jetzt, wir schreiben Dienstag, sitzt er schon im hiesigen Rathaus, umgeben von einberufener Presse, und stellt sich vor, wie es werden könnte. Er ist ja ein durchtrainierter Hoffnungsträger, selbst unter der schwersten knickt er nicht ein: An keine geringere nämlich als an die Goldene Hübner-Ära will er, ja, „direkt anknüpfen“, etwa indem er die alten Leute, Zadek, Minks usw. wieder hierher holt. Weil die inzwischen teuer sind, wird man vielleicht Ko-Produktionen machen müssen, vielleicht gar mit den Ruhrfestspielen in Recklinghausen, die Heyme immer noch leitet.

Nein, wegen Geld ist ihm gar nicht bang. Er ist es ja gewohnt, ganze Häuser mit Sparflammen zu beheizen. Jedenfalls, es braucht ein Team, wie der alte Hübner eins hatte, und daß Heyme jetzt, weil alle wichtigen

Posten vakant sind, ganz unbeschwert Leute um sich ansam

hierhin bitte

den Filmstreifen

meln kann, das ist ihm „ganz wichtig“. Er selber wird das

Schauspiel leiten und für die Oper einen Direktor suchen und, „das

war ein großer Reiz“, er wird auch mal die eine oder andere Oper inszenieren. Durchaus seine, des Leiters Sache, findet er, daß dieses Theater ein Gesicht kriegt. „Ich leite gern“, sagt er.

Aber klar, daß er sich auf Kresnik freut, er, der sich mit „der barocken Trennung der Sparten“ nimmermehr abfinden wird. Was könnt man nicht alles zusammen machen, „ganz neues Material“ bearbeiten. Da ist es schon, das geliebte Code-Wort des politischen Theaters. „Ach, die Kunst ohne das Politische, das ist bloß schlechtes Gewerbe.“ In Essen, erzählt er, da haben sie in seinem Grillo-Theater den ganzen Krieg lang „jeden Tag mit den Leuten gesprochen.“ Wegen Bedarf.

Und warum geht er da weg und gibt auch noch seine Professur an der Folkwang-Schule ab? In Essen ist, nach sechs Jahren Arbeit, das eingeschlafene Schauspiel wieder putzmunter. „Die Arbeit ist getan“, sagt Heyme, das kann er abgeben.

Und wie will er hierzulande mit wenig Geld und vielen Schulden auskommen? Der Etat „ist in Ordnung“, sagt er. Daß er für wenigstens fünf Jahre stabil bleibt, ist ihm zugesagt. Daß er was draus macht, muß man ihm durchaus zutrauen. Schon wie er da sitzt mit seinem überaus ökonomischen, ja sparsamen Gesicht, jede Linie durchdacht! Er ist, sagen wir mal: ein ganz Untertriebener!

Neben Heyme der gute Staatsrat Fuchs, der mühselig nach einem solchen hat suchen müssen, der sitzt im besten Schwarzen, Krawatte nahezu vorwitzig, und sein immerwährendes Lächeln ist heute von tief innen beleuchtet: den Trubel genießt er wie Finder- Lohn. Die Frage, ob nicht

Heyme, der routinierte Regionen-Entwickler und Allseits- Kooperateur, auch mit Bremerhaven und Oldenburg was anbandeln will, die ist ihm gleich Anlaß, die Unterstützung des Aufsichtsrats zu bieten; und Heyme schultert umstandlos auch diese Hoffnung.

Auch sonst fänd er allerhand erdenklich: Schauspiel- und Regieausbildung übernehmen, mit dem Fernsehen zusammenarbeiten, neue Partner, auch Sponsoren suchen. Und vor allem die Jugend. Was er in Köln, Stuttgart, Essen immer Jugendclub Kritisches Theater genannt hat, will er hier unbedingt fortsetzen: „Zur Durchlüftung dieser Häuser mit jungen Leuten!“

Ach, noch was: Hat er dran gedacht, nach Hamburg zu gehen, wo nach Bogdanovs Sturz das ganze Schauspielhaus zu haben ist? Hat er natürlich, sagt er. „Als ich vor einer Woche mit dem Zug hierher fuhr, dacht ich mir schon: Soll ich hier aussteigen oder noch ein Stündchen weiterfahren?“ Aber dann. Hier, glaubt er, kann er ihn entwickeln: seinen „Kontrast zu diesem kulinarischen Großstadtgedünkle.“ Manfred Dworschak