„Männerherrschaft über den Tod hinaus“

■ Die nepalesische Bremerin Nirmala Ataie — vom Ehemann ermordet, von 30 Männern bestattet

22 Jahre jung war Nirmala Ataie, als sie von ihrem Ehemann ermordet wurde — mit 15 bis 20 Messerstichen am 8. Januar. Die nepalesische Asylbewerberin hatte sich ins Autonome Bremer Frauenhaus geflüchtet und war von ihrem gewalttätigen Mann dennoch aufgespürt worden. Bei seiner Festnahme hatte der moslemisch-afghanische Ehemann angegeben, er habe mit seiner Tat „die Familienehre retten“ wollen. Seine Frau habe sich europäisch gekleidet, habe lieber Deutsch gelernt als seine Sprache und habe sich zudem geweigert, zum moslemischen Glauben überzuwechseln.

Gestern — zwei Monate später — wurde Nirmala Ataie beerdigt, ab 13.45 Uhr auf dem Osterholzer Friedhof. An ihrem Grab standen 30 moslemische Männer. Sie beteten nach moslemischem Ritus zu Gott, er möge der unbotmäßigen Toten doch ihren „Fehltritt“ verzeihen. Ausgerichtet hatten die Beerdigung zwei Brüder des Ehemannes und Totschlägers. Als weibliche Gäste am Grab dabei knapp zehn Mitarbeiterinnen und Bewohnerinnen des Frauenhauses. Vergeblich hatten sie sich zwei Monate lang bemüht, ihrerseits das Recht zugesprochen zu bekommen, der Toten die letzte Ruhe zu geben. Sie wollten die Hindi-Frau Nirmala Ataie gemäß ihres hinduistischen Glaubens feuerbestatten.

Warum der tote, geschundene Körper von Nimala Ataie vor der Beerdigung fast zwei Monate als „Polizeileiche“ in der Pathologie des Zentralkrankenhauses St.- Jürgen-Straße zubringen mußte, blieb gestern unklar. Eine Mitarbeiterin des Frauenhauses hatte wiederholt bei dem zuständigen Staatsanwalt Frank Repmann und bei der für „Bestattungswesen“ zuständigen Mitarbeierin der Verwaltungspolizei, Martina Tietgens, angefragt. Immer wieder war ihr mitgeteilt worden, die Leiche sei „noch nicht freigegeben“. Die Mitarbeiterin des Frauenhauses hatte deutlich gemacht, den Termin der „Freigabe“ zu erfahren, um Nirmala Ataie beerdigen zu können.

Staatsanwalt Frank Repmann sagte gestern der taz, er wisse nicht, warum die Leiche in diesem „Ausnahmefall“ so skandalös lange in der Pathologie gelegen habe: „Die Leiche ist von mir schon vor Wochen freigegeben worden, am Tage der Obduktion.“ Er könne sich nur erinnern, daß „einer von der Kripo irgendwann gekommen“ sei, um noch eine „kleinere Untersuchung“ an der Leiche vorzunehmen. Repmann gestern weiter: „Ich habe den Frauen gesagt: Wer wann wen beerdigt, ist nicht Sache der Staatsanwaltschaft“. Dafür sei er qua Amtes nicht zuständig: Repmann: „Mit ist es im Grunde auch egal, wer sie beerdigt.“

Zuständig für „Bestattungswesen“ ist in Bremen die Mitarbeiterin der Verwaltungspolizei, Martina Tietgens. Sie betonte gestern auf Anfrage, sie sei „nur für die verwaltungsmäßige Abwicklung“ zuständig: „Wenn Angehörige da sind, gibt es nichts zu entscheiden. Angehörige gehen immer vor.“ Natürlich handele es sich bei Nirmala Ataie um eine „moralische Frage“, aber die Freigabe der Leiche erfolge eben an denjenigen, „der ein Beerdigungsinstitut beauftrage“, und das seien in diesem Fall vermutlich die Brüder des Ehemannes gewesen: „Wer letztendlich der Auftraggeber ist, weiß ich nicht.“

Erst am Vortag der Beerdigung hatten die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses von dieser Entscheidung erfahren. Gestern, am Tag der Beerdigung versuchte die Rechtsanwältin Gerlinde Ebert per „Antrag auf einstweilige Verfügung“ die angesetzte Beerdigung zu verhindern. Gerlinde Ebert: „Wenn sie von ihrem Mann in einer Familientat umgebracht wird, steht es seiner Familie nicht an, sie zu bestatten. Zudem hat einer der Brüder den Mann darin unterstützt, durch Gespräche mit mir den Aufenthaltsort der Frau herauszufinden.“ Außerdem sei es der „mutmaßliche Wille“ der Verstorbenen, nach hinduistischem Brauch verbrannt und bestattet zu werden, denn sie habe sich von der Familie ihres Mannes abgewandt. Die 5. Kammer des Landgerichts entschied gegen die Frauen. Das Gericht habe „erhebliche Zweifel, ob das Frauenhaus das Recht der Totenfürsorge hat“. Die Vorkehrungen der Brüder entsprächen nach deutschem Recht deren „Befugnissen“.

Birgit Kausch, Mitarbeiterin des Frauenhauses, nahm daraufhin an der Beerdigung teil — „obwohl ich es sehr makaber fand, daß die beiden Brüder die Beerdigung übernommen haben.“ Sie sagte danach: „Ich hatte eine unheimliche Wut im Bauch und es hat mich traurig gemacht, daß die Männerherrschaft nirgendwo ein Ende hat — auch nicht nach dem Tod.“ Barbara Debus