Das Märchen vom Stopfpilz

■ Das Märkische Museum stellt typische Alltagsgegenstände aus der DDR aus/ Vom Bügelfalten-Bügeleisen über den Papp-Trabi bis zu Risaer Zündwaren ist alles da

»Da nahm Oma ihren von innen beleuchteten Stopfpilz und den löchrigen Socken zur Hand und begann das Märchen von Däumelinchen zu erzählen...«, heißt es in einem alten DDR-Kinderbuch. Wer auch bei dem »innen beleuchteten Stopfpilz« an Märchen glaubt, der irrt. Es gab ihn wirklich. In den 50er Jahren gehörte er genauso zur Produktionspalette wie auch das Bügelfalten-Bügeleisen.

Eine primitive, aber von der Grundidee her nahezu geniale Konstruktion aus zwei gegenüberliegenden beheizbaren Stahlplatten mit Griff, damit die Bügelfalte nicht in der Hand landete. Beides, Stopfpilz und Bügelfalten-Bügeleieisen, konnte sich dauerhaft nicht durchsetzen. Doch daß diese und andere ehemalige DDR-Produkte nicht in Vergessenheit geraten, hat sich das Märkische Museum im Ostteil der Stadt vorgenommen.

Im Sommer des vergangenen Jahres riefen die Mitarbeiter in den Medien dazu auf, dem Museum die typischen kleinen Dinge des täglichen Bedarfs zu überlassen. Gesucht waren einerseits Stücke, die den DDR- Bürger täglich umgeben haben, sein Leben bunt gemacht haben. Andererseits DDR-Produkte. Annähernd 3.000 Stücke sind seither zusammengekommen. Einiges brachten die Mitarbeiter selbst von zu Hause mit. Anderes fanden sie in Mülltonnen. Vom kleinen Streichholz aus den Riesaer Zündwarenbetrieben bis hin zum Papp-Trabi. Kleidung, die man anzog, die aber nicht unbedingt anzog. Haushalts- und Spielzeug sowie die typischen Verpackungen wie für das Für-alles-Pülverchen IMI oder den Kinderschlabber. Eine Hausgemeinschaft der nahegelegenen Fischerinsel schickte gar alle ihre im Laufe der Jahre im Kampf »für schönere Städte und Gemeinden« eingeheimsten Urkunden und Auszeichnungen.

Doch so ganz zufrieden sind die Mitarbeiter des Museums noch nicht. Einige bezeichnende DDR- Alltagsbegleiter fehlen noch in der Sammlung. Und so rufen sie nun zum zweitenmal auf, diese dem Museum zu schenken. Denn sie selbst zu kaufen, ist für das Museum finanziell nicht drin. Gesucht werden noch Kinderspielgeräte für drinnen und draußen (Karten- und Brettspiele, Roller), Arbeitskleidung und Berufsuniformen (zum Beispiel von der Reichsbahn, der Post, der Polizei und der Feuerwehr), alte Firmenschilder, private Fotos sowie Brigadetagebücher. Vor allem werden Zeitdokumente aus den 50er und 60er Jahren benötigt. Sind alle die Sachen dem Museum geschenkt, verschwinden sie erstmal auf Lange- Zeit-nicht-Wiedersehen. Denn nachdem sie in einem der vielen Bürohinterstübchen des Museums numeriert und inventarisiert werden, wandern sie wie ihre Vorgänger in die Magazine und Archive. Große Stücke, wie Möbel und Fernseher, kommen in ein Außenmagazin in Marzahn. Eine kleine Ausstellung unter dem Titel Das war's gab es schon mal um die Jahreswende. »Das war mehr nur ein Dankeschön an die Spender«, sagt Eberhard Kirsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums. Eine große Ausstellung ist in der nächsten Zeit nicht geplant. »Die Leute sind noch viel zu sensibel, wenn es um die DDR geht. Einige trauern ihr irgendwie noch nach, andere haben kompromißlos mit ihr abgerechnet, wollen nichts mehr davon hören, geschweige denn sehen. Und so wäre eine objektive Ausstellung zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht machbar«, erklärt Eberhard Kirsch.

Gebraucht werden die Alltagsgegenstände also vorwiegend für Historiker und Volkskundler. Für die Öffentlichkeit werden sie im Museum dann erscheinen, wenn die heutige Zeit Geschichte und museumsreif ist.

Wie zum Beispiel die Plastik der Gotik, die Berliner Kunst vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart sowie das Berliner Kunsthandwerk, die derzeit im Museum am Köllnischen Park 5 zu bewundern sind. Geöffnet hat das Museum, das von außen ausschaut wie eine Kirche, aber tatsächlich als Museum konzipiert und 1908 eingeweiht wurde, mittwochs bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. Die Eintrittspreise sind die alten. Erwachsene zahlen 2 Mark, Schüler, Studenten und Rentner die Hälfte. Kathrin Scholz