Das innere Schlachtfeld

■ „Die Passion der Beatrice“, ZDF, 22.40 Uhr

Ursprünglich studierte Bertrand Tavernier Jura, brach aber nach zwei Jahren ab und widmete sich fortan ganz seiner Leidenschaft: dem Kino. Er schrieb Filmkritiken, machte vor allem viele Interviews mit Regisseuren, gründete den Filmclub „Nickel- Odeon“ und lieferte Beiträge zu filmhistorischen Büchern. Später arbeitete er als Pressebetreuer in Sachen Film und war an mehreren Drehbüchern beteiligt.

Beharrlich ging der Weg in Richtung Praxis: 1961 arbeitete der zwanzigjährige Tavernier als Regieassistent für Jean-Pierre Melville anläßlich seiner Romanverfilmung Eva und der Priester. Ab 1963 drehte Tavernier eigene Kurzfilme; doch erst 1974 realisierte er seinen ersten Spielfilm Der Uhrmacher von St. Pauli, der von den Berliner Filmfestspielen mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde.

Taverniers Lehrmeister Melville ist in erster Linie bekannt für seine unterkühlten, bewußt emotionsarm gestalteten Gangstermelodramen. Von ihm hat Tavernier vermutlich den virtuosen Umgang mit filmischen Mitteln und Erzähltechniken gelernt, dabei aber seine eigenen Themen und seine eigene Handschrift gefunden.

Mögen Filme wie Ein Sonntag auf dem Lande, Um Mitternacht oder der eher zynische Der Saustall vom Sujet her noch so unterschiedlich sein, so wird doch bei jedem einzelnen die herzliche Zuneigung des Regisseurs zu seinen Figuren spürbar.

Die Passion der Beatrice drehte Tavernier 1987/88 nach einem Skript seiner Ehefrau Colo Tavernier-O'Hagen. Der Film ist der erste einer dreiteiligen ZDF-Reihe zum Thema „Glaube und Versuchung“, in deren Verlauf auch der oben erwähnte Eva und der Priester zu sehen sein wird (29.März). Als hätten die Programmplaner die tagespolitischen Ereignisse vorweggeahnt, handelt es sich bei Die Passion der Beatrice um eine Heimkehrergeschichte, angesiedelt im 14. Jahrhundert zur Zeit des Hundertjährigen Krieges. Fran¿ois de Cortemart (Bernard-Pierre Donnadieu) kommt nach vierjähriger Kriegsgefangenschaft nach Hause, wo seine mittlerweile erwachsene Tochter Beatrice (Julie Delpy) auf ihn und auf ihren Bruder (Nils Tavernier) wartet. Nach dem verlorenen Waffengang ist der Vater hart geworden; verbittert und grausam schikaniert er seine Mitmenschen — der Kampf geht weiter, jedoch hat sich das Schlachtfeld nach innen verlagert. Einzig Beatrice wagt es, ihn die Unrechtmäßigkeit seines Tuns spüren zu lassen, doch der in seiner Verzweiflung gefühllose Despot mit der verhornten Seele versucht mit allen Mitteln, ihre Persönlichkeit zu brechen.

„Aus christlicher Perspektive fordert er zum Widerspruch heraus“, schreibt der katholische 'filmdienst‘ über Taverniers nicht gerade hoffnungsfroh stimmenden Spielfilm — womöglich ein weiterer von vielen guten Gründen, sich die spätmittelalterliche Tragödie anzusehen. H.K.