Japan münzt Kriegsgeld in Friedenshilfe um

Erst heute soll über neun Milliarden Dollar für Alliierte entschieden werden  ■ Aus Tokio Georg Blume

Die japanische Regierung, für ihre zurückhaltende Politik in der Golfkrise seit Monaten im Kreuzfeuer der Kritik der USA, feiert in dieser Woche einen für den Westen geradezu unverständlichen Strategieerfolg, der ihr jedoch in Asien politischen Zuspruch sichert. Tokio ist es nämlich gelungen, Kriegsgeld in Friedensaufbauzahlungen umzumünzen. Denn erst in dieser Woche, voraussichtlich heute, will das japanische Oberhaus endgültig die Bewilligung für jene neun Milliarden Dollar erteilen, die Nippons Regierungschef Toshiki Kaifu den kriegsführenden Allierten bereits am 25. Januar versprach. Damals noch begründete Kaifu die Gelder mit der „natürlichen Pflicht“ Japans, den kämpfenden Truppen der USA beizustehen. Heute freilich sieht Tokio den Sinn der neun Milliarden Dollar ganz woanders: Als „Sonderetat zur Unterstützung von Restaurationsaktivitäten für den Frieden in der Golfregion“ bezeichnet die Regierung ihren Gesetzentwurf jetzt. Insbesondere in den asiatischen Nachbarländern wird man mit Wohlgefallen feststellen, daß sich Nippon auch im Nachhinein nicht zum Kriegsfinanzier aufspielen will. Unverfroren, unerschütterlich, aber auch fernab aller Weltereignisse präsentierte sich Nippons Regierungschef Toshiki Kaifu vor dem Parlament: „Die Gelder, die jetzt nicht verbraucht werden, wird die Regierung auch in Zukunft für den Frieden und die Stabilisierung im Nahen Osten anwenden“, entgegnete der Premierminister auf die Anfrage eines Abgeordneten. Ob der Krieg im Golf gerade tobte oder nicht, ob Gorbatschow Friedensangebote machte oder nicht — das alles konnte die japanische Politik in den vergangenen Wochen kaum beeinflussen. Kein Wunder also, daß die Parlamentsdebatten auch nach Verkündigung der Waffenruhe bis heute nahezu unverändert fortläuft.

Viele westliche Beobachter haben deshalb das Tokioter Polittheater als unzumutbar und lächerlich abgetan. Voller Hohn spricht der Londoner 'Economist‘ in dieser Woche von der „Demütigung Japans“ und der „angeborenen Unfähigkeit“ des Landes, das japanische Verhalten im internationalen Kontext wahrzunehmen. Nur stört diese Kritik offenbar in Tokio wenig. Im Gegensatz zu den Kriegswochen meinen japanische Verantwortliche jetzt wieder sehr gut zu wissen, wo Nippon seine internationale Rolle zu spielen hat. „Hilfe für den Wiederaufbau im Nahen Osten ist ohne die Teilnahme Japans nicht denkbar“, betont eine hoher Beamter im Tokioter Außenministerium. Dabei verweist er auf Nippons Status als größte Gläubigernation. Seit der Krieg im Golf beendet ist, und die Generäle nicht mehr das alleinige Sagen haben, spürt die Regierung in Tokio wieder Oberwasser. Wiederaufbau, Entwicklungshilfe, Notmaßnahmen für den Umweltschutz — das sind Vokabeln die Nippons Politiker gerne hören. „Japan wird jede mögliche Form der Zusammenarbeit anbieten“, tönte Kaifu und kündigte die Entsendung eines Teams von Umweltspezialisten in die Golfregion an, nachdem er zuvor wochenlang die Entsendung japanischer Armeeflugzeuge zum Flüchtlingstransport immer wieder aufgeschoben hatte.

Auf seine Weise beugte Kaifus Verzögerungstaktik erfolgreich einer Neuinterpretation der Verfassung vor, die Japan jegliche Einmischung in militärische Konflikte untersagt — und dies nun auch in Zukunft weiterhin tun wird. Vor wenigen Tagen verschob die liberal-demokratische Regierungspartei weitere Diskussionen über japanische Beiträge zu künftigen UN-Einsätzen auf die Zeit nach den bevorstehenden Kommunalwahlen im April.