Regierung der CSFR kommt an Volkswagen nicht vorbei

VW will sich nach Skoda an dem slowakischen Autoteileproduzenten BAZ beteiligen/ Slowakische Wirtschaft ist gegenüber der Tschechei im Rückstand  ■ Aus Prag Sabine Herre

Bevor die Entscheidung über einen Einstieg des deutschen Fahrzeuggiganten VW bei den „Automobilwerken Bratislava“ (BAZ) gefallen war, zeigte sich der Sprecher der slowakischen Regierung nicht gerade auskunftsfreudig. Daß er „die Verhandlungen nicht gefährden möchte“, ist verständlich, weder BAZ noch die Regierung können es sich erlauben, den finanzkräftigen westlichen Partner zu verprellen.

Die Umbaumaßnahmen der Prager Monetaristen treffen den östlichen Landesteil der CSFR weitaus härter als die westlichen Regionen. Seit Jahrzehnten hinkt die Region dem Entwicklungsstand der Tschechischen Republik hinterher; nach dem Wegfall der Subventionen und dem Zusammenbruch des RGW- Marktes können die slowakischen Produkte kaum noch abgesetzt werden. Während in den tschechischen Regionen Böhmen und Mähren im Januar 1990 die Arbeitslosenquote bei 1,1 Prozent lag, hatte sie in der Slowakischen Republik (SR) bereits 2,4 Prozent erreicht. Innerhalb eines Monats wuchs die Zahl der Arbeitssuchenden von 40.000 auf 60.000.

Einem Wirtschaftsaufschwung entgegen stehen zudem die fortdauernden nationalen Auseinandersetzungen. Westliche Unternehmer scheinen immer weniger geneigt, in einer Region zu investieren, in der eine der stärksten politischen Gruppierungen, die Christdemokratische Bewegung, auf eine Auflösung des Föderationsvertrages drängt. Von den rund 1.200 bisher abgeschlossenen Joint-venture-Verträgen entfielen so nur 260 auf die SR.

Für westliches Kapital besonders anziehend ist jedoch weiterhin die osteuropäische Fahrzeugindustrie. Mit ihr sollen vielversprechende Märkte automobiler Notstandsgebiete erobert werden. Um eine Zusammenarbeit mit BAZ hatten sich daher fünf große Produzenten beworben: General Motors, Volkswagen, Renault, Ford und Toyota. Lange Zeit favorisiert wurde das Angebot von General Motors (GM); noch Anfang Februar hatte sich die slowakische Regierung unter Ministerpräsident Mečiar für die Kooperation mit den US-Amerikanern ausgesprochen.

Nicht begeistern für das gemeinsame Projekt konnte sich dagegen Prager Bundesregierung. Denn während in Bratislava das Entstehen einer Konkurrenz zu der erst vor wenigen Wochen beschlossenen Zusammenarbeit zwischen Skoda und Volkswagen für notwendig gehalten wurde, war wohl in der Hauptstadt des Landes gerade das der Grund für die Absagen. Trifft diese Vermutung zu, befände sich die Regierung in Übereinstimmung mit ihrer real-sozialistischen Vorgängerin: Bereits die KPC hatten darauf geachtet, daß den Skoda-Produzenten in Mladá Boleslav keine slowakische Konkurrenz erwächst.

„Nach dem Abbruch der Verhandlungen mit General Motors ging“ — so der Bevollmächtigte der slowakischen Regierung — „dann alles sehr schnell.“ VW nutzte die gebotene Chance und verbesserte das Angebot. Von großer Bedeutung ist, daß der Vertrag mit VW den der tschechoslowakischen Föderation 1,3 bis 1,6 Milliarden Kronen (rund 73 Millionen D-Mark) mehr in die Haushaltskasse bringt, als ein Abschluß mit GM.

BAZ-Direktion lobt das Sozialprogramm

Bei BAZ selbst ist VW aus zwei Gründen der Favorit: Zum einen wird VW in Bratislava weiterhin die Hinterachsen für Skoda bauen lassen und auch eigene Wagen — voraussichtlich den VW-Passat — produzieren. Zum anderen lobt die Direktion das Sozialprogramm von VW. Erwartet wird, daß ebenso wie bei der Zusammenarbeit in Mladá Boleslav die Löhne nicht nur mit der Inflation wachsen, sondern dieses Wachstum noch um zehn Prozent über der jeweiligen Inflationsrate liegt.

Zu Entlassungen soll es nicht kommen, vielmehr rechnet BAZ mit Neueinstellungen. Nach den VW- Plänen werden in einer ersten Etappe 30.000 Fahrzeuge pro Jahr bei BAZ hergestellt. In einem zweiten Schritt soll die Produktion dann auf 200.000 Wagen gesteigert werden. Insgesamt werden Investitionen in Höhe von bis zu drei Milliarden D-Mark, einem Drittel der bis zum Jahr 2000 in Mladá Boleslav geplanten Ausgaben, erwartet. Da bis zu diesem Zeitpunkt in Böhmen jedoch schon eine halbe Million PKW pro Jahr vom Band laufen soll, wird deutlich, daß die Anlagen in Bratislava höhere Investitionen erfordern werden als die bei Skoda. Während VW in den letzten Monaten immer wieder die hohe Qualität der dortigen Produktionsanlagen betonte, wissen die Wolfsburger, daß diese in der Slowakei sehr viel niedriger ist.

Inhalt der weiteren Verhandlungen ist die prozentuale Beteiligung. Die Betriebsleitung von BAZ geht von einem vorläufigen deutschen Anteil von 30 Prozent aus, dieser soll nach VW-Absicht in den nächsten Jahren bis auf 80 Prozent anwachsen. Auch nach der Bildung der Aktiengesellschaft bleiben die slowakischen Anteile zunächst in staatlicher Hand. Im Verlauf der sogenannten großen Privatisierung, die das Bundesparlament in der vergangenen Woche beschloß, werden sie in den nächsten fünf Jahren an private Interessenten verkauft.

Verhandelt werden muß weiterhin darüber, ob in Bratislava Nutz- oder Personenfahrzeuge produziert werden sollen. Mit in die Entscheidung einbeziehen will die Regierung Mečiar dabei die Situation eines weiteren Automobilwerks im slowakischen Trnava. Falls VW irgendwann einmal in Bratislava Nutzfahrzeuge herstellen sollte, würde das die Absatzprobleme in Trnava verstärken. Nachgedacht wird aber auch darüber, ob nicht auch die slowakischen Waffenfabriken, die laut Parlamentsbeschluß auf zivile Produkte umgestellt werden sollen, in die Zusammenarbeit mit VW einbezogen werden können. „Denn“, so der Wirtschaftsminister der SR, „wer Panzer produziert, kann auch Autos herstellen.“