„Sambias Walesa“ soll Kenneth Kaunda bei Wahlen besiegen

Freie Wahlen nach 18 Jahren/ Der Gewerkschafter Frederick Chiluba als Kandidat der Opposition soll im Sommer die Wahlen gewinnen  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Die Opposition vergöttert ihren neuen Führer bereits als den „Lech Walesa Sambias“. Der sechsundvierzigjährige Frederick Chiluba, seit 1975 Vorsitzender des 300.000 Mitglieder starken Gewerkschaftsverbandes „Zambia Congress of Trade Unions“, wurde von der „Bewegung für Mehr-Parteien-Demokratie“ (MMD) mit überwältigender Mehrheit zum Präsidentschaftskandidaten gewählt. Sein Ziel: Er will den seit der Unabhängigkeit im Jahre 1964 regierenden Kenneth Kaunda schlagen.

Seit 1973 herrscht in dem afrikanischen Land ein Einparteiensystem. Bis spätestens August sollen die 8,5 Millionen Einwohner von Sambia erstmals seit achtzehn Jahren Gelegenheit erhalten, sich bei Wahlen zwischen mehreren Parteien zu entscheiden. Die Aussichten für die Opposition stehen nicht schlecht.

Denn das afrikanische Land, daß 1988 von 1,2 Milliarden Dollar Ausfuhrerlösen 830 Millionen Dollar durch den Export von Kupfer verdiente, erlebte seit 1975 eine rasante wirtschaftliche Talfahrt. Das Pro-Kopf-Einkommen sank von 660 US-Dollar im Jahr 1982 auf 400 Dollar im vergangenen Jahr. Die Inflation galoppierte 1990 mit 122 Prozent davon.

Der Gewerkschaftsführer Chiluba, Sohn eines Arbeiters aus dem sogenannten Kupfergürtel von Sambia, will nicht nur auf einer Welle der Hoffnungen auf eine bessere Wirtschaftsentwicklung reiten. Er ist bereits als alter Haudegen in der Auseinandersetzung mit Kaunda bekannt. Sein Gewerkschaftsverband begab sich schon Anfang der achtziger Jahre in den Clinch mit der Regierung. 1981 verbrachte Chiluba deshalb auch vier Monate im Gefängnis. Wie hochgesteckt die Erwartungen an „Sambias Walesa“ sind, zeigt eine Äußerung von Sambias führendem Ökonomen Patrick Katyoka: „Er steht für die Stimmung der Leute und der Nation, er ist charismatisch und pragmatisch, er ist der Beste.“

Sollte Chiluba tatsächlich Kenneth Kaunda schlagen, würde er einen jener afrikanischen Politiker ablösen, die in Afrika seit den Tagen der Unabhängigkeit von den Kolonialmächten das Sagen haben — ein Generationswechsel, der sich nicht nur an der Staatsspitze abzeichnet. Chiluba ist ein Kandidat des modernisierten Arbeitertums und der städtischen Mittelschicht. Kaunda dagegen steht mehr in der afrikanischen Tradition. Die Einparteienherrschaft rechtfertigte er denn auch immer mit einem Argument: dem Tribalismus und der Furcht vor Stammeskonflikten.

Dennoch erklärte der sechsundsechzigjährige Präsident im letzten Jahr nach heftigen Unruhen in Sambia: „Wenn das Volk von Sambia mein Urteil nicht akzeptiert, dann werden wir ein Mehrparteiensystem einführen. Aber ich werde weinen, denn ich weiß, was kommen wird.“ Freilich steht Kaunda nicht nur wegen des Wunsches nach demokratischem Wandel unter Druck. Im letzten Jahr kam es zu Hungerprotesten, nachdem der Staatspräsident Forderungen des Internationalen Weltwährungsfonds nachgab. So verdoppelte er den Preis für das Grundnahrungsmittel Maismehl.

Den Kompromiß zwischen internationalen Kreditgebern — Sambia „besitzt“ Auslandsschulden von 7,2 Milliarden Dollar — und den Hoffnungen der Wähler muß Chiluba erst noch finden. Eine weitere Aufgabe des 46jährigen Herausforderers: Chiluba muß nach seinem Sieg über drei Gegenkandidaten die „Bewegung für Mehr-Parteien-Demokratie“ zusammenhalten. Wie er das Problem der Versöhnung mit den Anhängern der unterlegenen Konkurrenten löst, wird sicher als Vorzeichen für seine Fähigkeit gewertet werden, nach einer Wahl zum Staatspräsidenten auch das Land zusammenzuhalten.