Sowjetische Bergleute im Streik um mehr Lohn

Moskau (taz) — Die Kumpel in den beiden größten Kohleabbaugebieten der UdSSR, im sibirischen Kuzbass und im südukrainischen Donez-Becken, sind Anfang der Woche nach anderthalb Jahren wieder einmal in den Ausstand getreten. 27 der 76 Minen in Sibirien sollen nach Angaben des dortigen Streikkomitees stilliegen. In der Ukraine hieß es, seien nur 12 der rund 250 Gruben dem Streikaufruf gefolgt, darunter aber die größten. Die Schachtiori, deren Lebenssituation sich seit ihrem Ausstand im Juli 1989 kaum verbessert hat, fordern eine 200prozentige Lohnerhöhung, eine Preisindexierung und eine Herabsetzung des Rentenalters. Die sibirischen Streikkomitees haben ihre wirtschaftlichen Forderungen aber mit politischen Bedingungen verknüpft. In Kemerowo verlangten die Arbeiter den Rücktritt Gorbatschows und der Unionsregierung und forderten die Moskauer Zentralregierung auf, der Russischen Föderation eigene Massenmedien zur Verfügung zu stellen. Außerdem müsse Boris Jelzin noch vor dem 17. März, dem Tag des Allunionsreferendums, eine Möglichkeit erhalten, im sowjetischen Fernsehen aufzutreten. Sie drohten gleichzeitig mit weiteren Streiks, falls Moskau den Ausnahmezustand oder Direktherrschaft verhängen sollte. Der sowjetische Kohleminister, Schdanow, reiste mit einigen Parteioffiziellen nach Kemerowo. Über das Ziel seiner Reise wurde allerdings nichts bekannt. Die Situation im Kuzbass, so der Minister, sei „sehr gespannt“. Der Vorsitzende des Streikkomitees in Kemerowo, Aslanidij, vermutete, der Streik sei das Ergebnis einer Provokation. Eigentlich wolle man gar nicht streiken. Als Beweis führte er ein Telegramm der offiziellen Gewerkschaftsleitung an und verwies auf Funktionäre der KP, die „alle unter ihren eigenen Motti am Streik teilnehmen“ wollten. Khd