Der Iran sorgt sich um die Umgestaltung des Iraks

Der Führer der irakischen Schiiten sichert auch die Interessen Teherans im Land zwischen Euphrat und Tigris  ■ Aus Teheran Ali Sadrzadeh

Seit zehn Jahren wird er in Teheran als Chef einer Schattenregierung hofiert: Hodjatoleslam Mohammad Bakr Al Hakim, der schiitische Geistliche aus dem Irak. Er kündigte gestern in Teheran an, er werde einen persönlichen Vertreter zur Führung der Unruhen in die Stadt Basra entsenden. Der Geistliche ist Chef des „Obersten Rates für die Islamische Revolution im Irak“, in dem vier Oppositionsgruppen zusammengeschlossen sind. Die einflußreichste ist die schiitische Untergrundorganisation Al Dawa — zu deutsch Ruf — , die nach eigenem Bekunden in vielen irakischen Städten in den vergangenen Jahren den eigentlichen Kampf gegen die herrschende Baath-Partei führte. Hodjatoleslam Mohammad Bakr Al Hakim selbst leitet zwar nur die kleine schiitische Gruppe „Mudschahedin für die Islamische Revolution im Irak“, doch zum Sprecher der irakischen Schiiten ist er aus besonderem Grund avanciert.

Hakim, der eine enge Beziehung zu den einflußreichen Personen in Teheran unterhält, stammt nämlich aus einer angesehenen Familie der irakischen Stadt Nadjaf. Wichtige Männer dieser Familie, die viele Rechtsgelehrte bis hin zu Großayatollahs hervorbrachte, wurden von Saddam Hussein hingerichtet. Hakim rettete sich Anfang der achtziger Jahre in den Iran, wo er im Krieg zum wichtigsten Oppositionsführer wurde. Mittlerweile scheint es offenkundig zu sein, daß die Unruhen in Basra schiitische Züge tragen, schon allein, weil die Stadt mehrheitlich von Schiiten bewohnt wird. Die iranische Führungsriege unterstützt nicht nur die Schiiten im Süden, sondern auch die Kurden im Norden. Bei der Rebellion geht es um den Sturz Saddam Husseins. Aber aus Teheraner Sicht verbirgt sich dahinter ein Konflikt über die Gestaltung der Region.

Die Zeit der iranischen Neutralität scheint mit dem Waffenstillstand am Golf vorüber zu sein. Nun geht es der Islamischen Republik darum, bei der Ausgestaltung der „Nachkriegsordnung“ die Früchte ihrer Politik zu ernten. Mit Argwohn beobachten die Teheraner Führungskreise, wie alle Beteiligten dabei sind, das künftige gemeinsame Haus am Persischen Golf zu errichten, ohne dem Iran einen gebührenden Platz einzuräumen.

In Teheran hofft man, im Sicherheitsorchester die erste Geige spielen zu können. Der Iran sei das bevölkerungsreichste Land der Region, habe die längste Küste zum Golf, und deshalb wäre ohne den Iran keine Sicherheit in diesem Gebiet möglich. Voraussetzung für die Verwirklichung dieses Traums ist natürlich der Abzug der Alliierten aus dem Golfgebiet. Sie werden zwar den größten Teil ihrer Streitkräfte wieder nach Hause schicken, aber das Feld wird nicht einem unsicheren Kantonisten wie dem Iran überlassen. Schon jetzt ist klar, daß neben Saudi-Arabien Ägypten und Syrien, die zwar nicht am Persischen Golf liegen, dafür aber der Anti-Saddam-Allianz angehören, künftig in dieser Region mehr zu sagen haben.

Dazu kommt, daß vor allem das Regime in Riad für die Nach-Saddam-Ära eine Art Junta aus konservativen Baath-Dissidenten favorisiert, die im Exil leben, und keineswegs eine „demokratische Regierung“ unter Beteiligung der irakischen Opposition. Was liegt für den Iran näher, als sich den Einfluß auf die politische Umgestaltung in Bagdad zu sichern? Sollten die Schiiten tatsächlich künftig im Irak ein Wort mitzureden haben, dann kommt man am Iran nicht vorbei.