Saddam ruft Republikanergarde zu Hilfe

■ Berichte über Luftangriffe auf Basra/ Erste Meldungen von Kämpfen in Kurdistan/ USA bestätigen Unruhen in sieben südirakischen Städten und warten erst einmal ab/ Offenbar viele Deserteure

Safwan/Bagdad/Teheran (wps/ dpa/afp/ap/taz) — Saddam Hussein rüstet zur Gegenoffensive: Der irakische Staatschef setzt jetzt offenbar auf eine militärische Niederschlagung der regimefeindlichen Bewegung im Südirak. Nach einem Bericht der britischen Rundfunkgesellschaft BBC versuchen Angehörige der Elitetruppe der Republikanischen Garde angeblich, die Kontrolle über die Stadt Basra und deren Umgebung zurückzugewinnen. Laut Irna, der iranischen Nachrichtenagentur, bestätigten irakische Flüchtlinge bei ihrer Ankunft im Iran Angriffe des Regimes. Sie sagten, Saddam Hussein habe am Montag in Basra und in der Stadt Al Amara mehrfach die Luftwaffe eingesetzt, um die eigene Bevölkerung zu bombardieren.

Verschiedene Sprecher des Obersten Rates der Islamischen Revolution im Irak (Sairi) im Ausland sprechen auch gestern wieder von Erfolgen der Rebellion. Mittlerweile seien auch die heiligen schiitischen Städte Nadjaf und Kerbala unter Kontrolle der Bevölkerung, hieß es. Demgegenüber berichtete Irna, die regimefeindlichen Demonstrationen hätten nun auch auf Kerbala übergegriffen. Angaben aus Teheran und Damaskus zufolge soll es auch in Bagdad zu Protestmärschen gekommen sein. Unterdessen gibt es auch erste Meldungen über eine Ausweitung der Rebellion auf die kurdischen Gebiete. Ein Sprecher der Demokatischen Partei Kurdistans in London sagte gegenüber afp, man habe nicht abgewartet, bis die Schiiten in ihrer Hochburg im Süden aktiv werden. Seit Mitte letzter Woche habe es fünfzig Angriffe der kurdischen Kämpfer gegeben. In einem britischen Pressebericht hieß es gestern, die Zufahrtsstraßen zu der Stadt Suleimaniyeh seien seien von kurdischen Peschmergas abgeschnitten worden. Auch diese Angaben konnten zunächst nicht überprüft werden.

Von zahlreichen westlichen Journalisten, die am Sonntag von Kuwait aus in Richtung Basra aufgebrochen waren und den Berichten über Proteste gegen das Regime nachgehen wollten, fehlt offenbar jede Spur. In US-Militärkreisen in Riad war von 26 verschwundenen Reportern die Rede. Unter den Vermißten sind unter anderem Teams von französischen Fernsehgesellschaften und CNN sowie Korrespondenten von Le Monde, Liberation, Radio Monte Carlo, Reuter, der New York Times und fünf italienische Journalisten.

Der staatliche irakische Rundfunk bestätigte Montag abend erstmals zumindest indirekt die Unruhen in weiten Teilen des Südirak. In einem von Radio Bagdad gesendeten Kommentar warf der Sender den Alliierten eine Verschwörung zur Destabilisierung des Irak vor. Die Verbündeten wollten „alle nationalen Errungenschaften“ vernichten, die das irakische Volk erreicht habe. Die Gegner des Irak hätten sich zum Ziel gesetzt, die nationale Einheit und Sicherheit des Landes zu stören. Über die Lage im Südirak wurde jedoch nicht berichtet.

Mittlerweile haben auch US-amerikanische Militärs und Geheimdienste Unruhen in Basra und mindestens sechs weiteren Städten bestätigt. Auf Luftbildaufnahmen seien Menschen auf den Straßen, Gebäude und Fahrzeuge in Flammen sowie die Einrichtung von Militär-Kontrollpunkten an strategischen Straßenkreuzungen zu sehen. Unter den sechs Städten waren nach Angaben aus dem Pentagon Al Amarah, Kumait, Al Subair und Kalatflaih. Der in Teheran ansässige Oberste Rat der Islamischen Revolution im Irak hatte am Vortag ähnliche Angaben gemacht.

Die Proteste gegen Saddam Hussein werden in Washington inzwischen als ernst eingeschätzt. Anlaß zum Eingreifen sieht die US-Administration nach Angaben des Präsidentensprechers Marlin Fitzwater bislang nicht. Auf die Frage, ob die USA ein schiitisches, pro-iranisches Regime in Bagdad vorziehen würden, wollte Fitzwater nicht antworten. Allerdings wird nun offenbar erwogen, die Freilassung irakischer Kriegsgefangener zu verzögern. Eine geschlagene und unzufriedene Armee, so der Einsatzleiter des Generalstabs, Thomas Kelly, könne „politisch gefährlich“ und eine „Bedrohung des Regimes“ sein. Mehrere irakische Soldaten, die entlang der Straße nach Basra interviewt worden waren, hatten aus ihrer Kritik an Saddam Hussein keinen Hehl gemacht. „Er ist ein großer Verlierer“, sagte einer gegenüber BBC, „Viele Soldaten werden sich an der Rebellion beteiligen“.

Auf eine wachsende Zahl von Desertationen weist auch ein neues Dekret der irakischen Führung hin, in dem die flüchtigen Soldaten aufgefordert werden, sich binnen einer Woche bei ihrer Einheit zu melden. Mit dieser Regelung wird ein früheres Gesetz des Revolutionären Kommandorates (RCC) vorübergehend außer Kraft gesetzt, das für alle Deserteure die Todestrafe an Ort und Stelle ihres Aufgreifens vorsieht. Die Zahl der aus diesem Grund während des iranisch-irakischen Krieges hingerichteten Soldaten wird auf mehrere tausend geschätzt. Als ein weiteres Anzeichen für Probleme kann eine Äußerung von Izzat Ibrahim, dem stellverstretenden Vorsitzenden des RCC, interpretiert werden. Auf einer Rundfahrt im Ostirak sagte er gegenüber lokalen Funktionären, ihre Loyalität gegenüber Bagdad sei nun „angesichts beispielloser Herausforderungen“ von grundlegender Bedeutung. B. S.