Interflug ist doch noch nicht ganz am Boden

■ Bis 31. Oktober sollen acht Maschinen weiterfliegen/ Reiseveranstalter will die Reste als Chartergesellschaft

Berlin/Bonn (dpa/ap/taz) — Die Interflug (IF) darf möglicherweise bis Oktober weiterfliegen. Die sieben Iljuschin, 15 Tupolew und drei Airbusse des überschuldeten Luftfahrtunternehmens der Ex-DDR sollten eigentlich ab Freitag dieser Woche am Boden bleiben. IF-Liquidator Eckhart Müller-Heydenreich kündigte jedoch gestern überraschend an, daß — wenn die Treuhandanstalt zustimmt — der Flugverkehr bis Ende des Monats wie bisher mit 20 Maschinen fortgesetzt wird. Die Treuhand sagte, sie wolle den Vorschlag des Liquidators „wohlwollend prüfen“.

Zum 1. April würde nach dem Vorschlag Müller-Heydenreichs der Interflug-Plan radikal zusammengestrichen: acht Flugzeuge sollen dann noch eingesetzt werden. Im Linienbetrieb werden nur noch Budapest, Prag und Warschau bedient, Charterflüge gibt es in die derzeit wenig gefragten Reiseländer Griechenland, Irland, Thunesien, Türkei und Sowjetunion.

Den reduzierten Flugbetrieb soll nach Auffassung des Liquidators die Treuhandanstalt bis Ende Oktober finanziell absichern. 850 der noch 2.600 Beschäftigten hätten auch davon nichts: Sie werden zum 1. April „abgebaut“. Müller-Heydenreich sagte außerdem, es gebe nach wie vor Interessenten für Interflug, ohne allerdings Namen zu nennen. British Airways, die sich bis Dezember noch sehr für Interflug interessiert hatte, hat nach Angaben von Pressesprecherin Jutta Nagel „ganz bestimmt kein neues Angebot“ unterbreitet.

Interesse am Rumpf der DDR- Flieger hat der Berliner Flugreiseveranstalter Hans-Peter Unger angemeldet, der einen Teil des Interflug- Rests als Chartergesellschaft zum 1. November übernehmen will. 140 Beschäftigte, vier 76sitzige Maschinen vom Typ Tupolew 134 sowie die Verkehrsrechte und Büroräume am Flughafen Berlin-Schönefeld will er übernehmen; die Altschulden— Branchengerüchten zufolge hat die IF zuletzt 500.000 D-Mark täglich an Verlusten eingeflogen — „natürlich nicht“, so Unger gestern.

Für die Interflug-Beschäftigten, die entlassen werden, soll nach den Vorstellungen von Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft unter Beteiligung der Lufthansa, die ihr Wissen einbringen soll, gegründet werden.

Die Interflug-Beschäftigten geben ihren Kampf um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze noch nicht verloren. Heute wollen sie Bundespräsident Richard von Weizsäcker eine Petition übergeben, um ihre Forderung nach Rücknahme des Liquidationsbeschlusses zu unterstreichen. Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr (ÖTV) kündigte an, die Beschäftigten würden mit einem gecharterten Flugzeug nach Bonn fliegen. Donata Riedel