AKW-Esenshamm: Kompaktlager abgesegnet

■ Oberverwaltungsgericht Lüneburg: Keine Gefahr durch doppelte Lagergröße im Reaktor

Die Einlagerung von rund 660 Brennelementebündeln in das Kompaktlager des Atomkraftwerkes Esenshamm an der Unterweser ist rechtens. Mit dieser Entscheidung beendete das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gestern einen zehnjährigen Rechtsstreit. Eine Revision gegen das Urteil ließ der 7. Senat des Gerichtes nicht mehr zu.

Ursprünglich war das Abklingbecken des Atomkraftwerkes an der Unterweser für 330 Brennelementebündel ausgelegt. Durch eine neue Regalkonstruktion, die der niedersächsische Umweltminister Wilfried Hasselmann (CDU) ohne zusätzliche Sicherheitsauflagen 1982 genehmigt hatte, kann das Kompaktlager jetzt die dreifache Betriebsmenge an Brennelementen lagern: Pro Jahr werden im Reaktor in Esenshamm 195 Brennelemente gespalten, von denen jährlich 65 ausgewechselt werden.

Gegen die Betreibergesellschaft KKU (Kernkraftwerk Unterweser), einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft des Hannoveraner Energie-Unternehmens Preußen-Elektra, hatte die 53jährige Verwaltungsangestellte Helma Harders geklagt. Mehr strahlende Brennelemente, so die Argumentation vor dem Lüneburger Gericht, produzieren auch mehr Wärme, die die Kühlanlagen des Kraftwerkes im Störfall nicht mehr bewältigen können. Für den Bremer Physiker Gerald Kirchner, der als Sachbeistand für die Klägerin am Montag vor Gericht ausgesagt hatte, ist das Kompaktlager ein zweiter potentiellen Krisenherd für eine Kernschmelze. „Im Kompaktlager werden die Brennelemente jetzt so eng zusammengestellt, daß sie sich im Störfall quasi selbst aneinander erwärmen, bis es zur Kernschmelze kommt“, erläuterte Kirchner.

Weil das Lager direkt unter der Reaktorkuppel liegt, sei die Betriebssicherheit außerdem durch abstürzende Flugzeuge gefährdet, führte die Klägerin aus. Abstürzende Phantom-Flugzeuge würden direkt in das Lagerbecken knallen und so erhebliche Mengen Radioaktivität freisetzen.

Pikanterweise saß als Beklagte das niedersächsische Umweltministerium im Lüneburger Gericht, beigestellt die Experten der Preußen-Elektra. Das Ministerium hat 1986 die Zuständigkeit für Atomkraftwerke geerbt (vgl. auch S.4). Die Ingenieure der Preußen-Elektra verwiesen auf die geltenden Leitlinien der Reaktor-Sicherheits-Kommission, die im KKU Esenshamm eingehalten würden. Die vorhandenen Kühlkreisläufe würden auch im Störfall reibungslos arbeiten.

Die Klägerin konterte mit einem neuen Beweisantrag. Ein neues Gutachten müsse her, das die Gefährdung der Bevölkerung durch Phantom-Abstürze untersuche: Immerhin seien in den letzten zehn Jahren vier Phantoms in unmittelbarer Nähe des AKWs abgestürzt. Bis das Gutachten vorliege, sollte der Prozeß ausgesetzt werden.

Der Hintergrund für den Beweisantrag war ein politischer: Wenn der rot-grünen Regierung an einem Ausstieg aus der Atomkraft gelegen sei, so kalkulierte die Klägerin, dann könnte der Anwalt auf den Beweisantrag eingehen und so für Unterbrechung des Prozesses sorgen. Doch Anwalt Ernst-Ludwig Nell, der auch schon die niedersächsische CDU- Regierung in etlichen Atom-Verfahren erfolgreich vertreten hatte, reagierte nicht. Vielmehr stellten die Preußen-Elektra-Vertreter einen Gegenantrag, den Beweisantrag wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg abzuweisen. Das Gericht lehnte ein neues Gutachten ab.

Das Urteil selbst war für die Beteiligten keine Überraschung: Bereits 1985 hatte das gleiche Gericht eine Betriebsgenehmigung für das Kompaktlager im AKW Grohnde bestätigt. Markus Daschner