AL-Kandidat fürs Verfassungsgericht gibt auf

■ Müller-Gazurek will kein »Zählkandidat« sein/ CDU-Fraktionschef Landowsky poltert gegen möglichen grünen Verfassungsrichter

Berlin. Nach Attacken der CDU hat der bisherige AL-Kandidat für das neue Berliner Verfassungsgericht gestern seine Kandidatur niedergelegt. »Als Zählkandidat gebe ich mich nicht her«, erklärte Johann Müller-Gazurek gegenüber der taz diesen Schritt. Er sei auch »menschlich enttäuscht« von der CDU, erklärte der AL-Politiker, der als Richter am Sozialgericht arbeitet. Die Christdemokraten hätten mit ihm zwei Jahre lang problemlos im Richterwahlausschuß zusammengearbeitet, hielten ihm jetzt aber vor, daß er im Jahr 1972 bei Universitätswahlen für die SEW-nahe Studentenorganisation ADS angetreten sei.

Die Fraktion von AL und Bündnis 90 nominierte bereits am Dienstag mit der parteilosen Rechtsanwältin Veronika Arendt-Rojahn eine neue Kandidatin. Als Anwältin und Mitglied der Liga für Menschenrechte habe sie sich jahrelang in Ausländer-, Asyl- und Menschenrechtsfragen engagiert, hieß es von der AL. Beworben habe sich auch der renommierte Berliner Rechtsanwalt Reiner Geulen. Er weile zur Zeit leider in Neuseeland und sei »keine Frau«, hieß es in der AL auf die Frage, warum die weniger bekannte Arendt-Rojahn nominiert worden sei. Ob unter den neun Richtern des Verfassungsgerichts auch ein Grüner sein wird, ist nach wie vor offen. Während die Sozialdemokraten für eine AL-Beteiligung ist, sprach sich CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky gestern dagegen aus. In seiner Fraktion gebe es eine »breite Meinungsströmung«, nicht nur Müller- Gazurek, sondern jeden Alternativen abzulehnen. Bei der AL vermisse man das »Akzeptieren sämtlicher Grundlagen unserer Ordnung«, erläuterte Landowsky.

Ob die Richter, wie geplant, am 14. März vom Abgeordnetenhaus gewählt werden, ist mittlerweile offen. Sowohl Landowsky als auch die SPD äußerten gestern die Bereitschaft, zunächst das im letzten Sommer von CDU, SPD und AL gemeinsam verabschiedete Gesetz über die Bildung des Verfassungsgerichts zu überarbeiten. In den letzten Tagen gab es, wie berichtet, Kritik an der ungewöhnlich hohen Bezahlung der Richter, die ihr Amt nur ehrenamtlich versehen. Bei einer Änderung des Gesetzes sollte allerdings auch die Frauen-Quote abgeschafft werden, sagte Landowsky gestern. Nach der bisherigen Regelung müssen unter den neun Richtern drei Frauen sein.

Die FDP hat, wie berichtet, bereits ihren Ex-Vorsitzenden Hermann Oxfort als Kandidaten nominiert. Wegen seines »außerordentlich konservativen Verfassungsverständnisses« gebe es gegen ihn jedoch in der SPD »viele Bedenken«, sagte Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller. Als SPD-Kandidaten sind Berthold Sommer vom Bundesverwaltungsgericht, der Anwalt Ehrhart Körting und die Verwaltungsrichterin Renate Citron-Piorkowski »ganz fest im Gespräch«. Die CDU-Fraktion will ihre künftigen Verfassungsrichter auf einer Klausurtagung am Wochenende nominieren. Neben den CDU-Abgeordneten Klaus Finkelnburg und Hubert Rösler gilt die parteilose Bundesverwaltungsrichterin Helga Scholz-Hoppe als chancenreich. hmt