Auswärtsspiel zu Hause

■ St. Pauli und Hertha BSC trennen sich freundlich 2:2

Hamburg (taz) — So ganz alleine ließ man sie doch nicht. 10.000 St. Paulianer wagten den Ausflug in die „Stellinger Kühltruhe“, die offiziell unter Volksparkstadion firmiert. Dort standen sie brav in der Ostkurve, wo sonst die auswärtigen Fans bei HSV-Spielen stehen, und hatten allen Grund, zufrieden zu sein über ihre Entscheidung, die Party am Millerntor sausen zu lassen. Daß am Ende ein lausiges, irgendwie gerechtes 2:2 herauskam, verzweifelte nur jene, die den FC St. Pauli in viel zu hohe Höhen emporjubeln wollten oder die Hertha BSC für kaum leistungsstärker als Schweinfurt 05 hielten.

„So schnell fällt man aus Wolke sieben“, erkannte auch Paulis Trainer Horst Wohlers, diesmal von keinem einzigen „Helmut“-Ruf angefochten. Seine Mannschaft, das ewige Thekenteam auf dem Abenteuerspielplatz Bundesliga, kickte, flankte und kämpfte auch, als habe man das dürftige kick'n'rush-Spiel eigentlich nie nötig gehabt. Raumgreifend und übersichtlich standen die Hamburger auf dem Spielfeld verteilt, kaum mehr war zu sehen vom Weintraubenstil früherer Jahre, als sich zehn Mann nahkämpfend um den Ball bemühten.

Doch was der HSV vor Jahren als raumdeckendes Spielsystem zur Vollendung führte, klappte beim Millerntorklub noch nicht. Plötzlich stand es 1:0 für die Berliner: Nach nur drei Minuten hatte Herthas Celic Unglaube angespielt — Ippig machtlos. Und in der 38. min. das 2:0, als Paulis Zander über das Leder tritt und Uwe Rahn freundlicherweise den Ball hinlegt zum freien Einschuß aus 16 m. Später wußte Wohlers zu berichten, daß die „Moral der Mannschaft da nicht mehr intakt war“. Auch, weil Spielmacher Peter Knäbel verletzt ausscheiden mußte.

Die Beschwörungen Wohlers („Ich mußte sie aufrichten“) halfen: Die Herthaner zogen sich Mitte der 2. Hälfte aus dem aktiven Spielgeschehen zurück, die Hamburger dankten es: 1:2 per Foulelfmeter, vollstreckt durch den rehabilitationswilligen Zander. Dabei war Golke eigentlich nur schön gefallen. Hertha-Coach Csernai maliziös: „Wenn der Schiedsrichter pfeift, war's wohl einer.“ Der Ausgleich dann nach einer chaotischen Spielerversammlung vor Junghans' Tor: Schlindwein soll angeblich den Ball über die Linie geschoben haben.

Csernai, locker wie selten, stellte hernach fest: „Ich stehe vor dem Feuer.“ Die atemlose Frontstadtjournaille hörte es mit Erstaunen: „Ob ich Galgenhumor habe? Ich bin immer so lustig.“ Und Horst Wohlers: „Kompliment an meine Mannschaft für die zweite Halbzeit, aber es hat vieles nicht geklappt.“ Es klang, als wüßte er, daß sein Team irgendwann auf kick'n'rush verzichten könnte. Jan Feddersen

St. Pauli: Ippig — Kocian — Schlindwein, Gronau — Sievers, Olk, Knäbel (28. Steubing), Hollerbach (52. Wolf), Zander — Golke, Ottens

Hertha BSC: Junghans — Greiser — Scheinhardt, Halvorsen, Winkhold, Gries (65. Lünsmann), Schlegel, Celic, Zernicke — Rahn, Unglaube.