Kriegsgewinnler Sowjetunion?

■ Zwei Linien in der sowjetischen Politik angesichts der Golfkrise/ Wandel gegenüber den Saudis und Mullahs/ Innenpolitische Nutzeffekte/ „Neuordnung“ der Region

„Muß man denn ein Haus anzünden, um ein Hühnchen zu braten“, fragte nach dem Überfall Saddams auf den Kuwait belustigt ein sowjetischer Nahost- und Ölexperte. Bemerkungen dieser Art, meist aus dem Mund der „Arabisten“, kontrastierten dem offiziellen Sprachgebrauch des Außenministeriums, der in der Verurteilung Saddams ganz unzweideutig war. Zu Beginn der Golfkrise standen sich in der Sowjetunion zwei Optionen gegenüber: die von Schewardnadze, die auf Kooperation mit den USA beim Aufbau einer UNO- Streitmacht gerichtet war und die von Primakow und den Nahostexperten, die zur Vorsicht mahnten und die langjährigen Verbindungen zum Irak nicht abreißen lassen wollten. Durchgesetzt hat sich schließlich eine lauwarme Position des Einerseits-Andererseits. Die USA nicht hindern, aber dem Irak behilflich sein, das Gesicht zu wahren.

Die Interessenlage der Sowjetunion am Golf hatte allerdings mehr als nur diese zwei Ecken. In den Jahren vor Ausbruch der Krise hatte sich gegenüber den „Mittelmächten“ der Region, dem Iran und Saudi-Arabien ein dramatischer politischer Umbruch vollzogen. Im iranisch-irakischen Konflikt stand die Sowjetunion zwar eindeutig auf Seiten Saddams, aber auch für den Iran fiel etwas ab aus dem Füllhorn minderwertiger sowjetischer Rüstungsprodukte. Noch überraschender kam die Wende gegenüber den saudischen Wahabiten. Hatte es doch seit den 30er Jahren nicht einmal diplomatische Beziehungen zu Riad gegeben. Der sowjetischen Politik ging es zum einen darum, die muslimische Gemeinschaft in der Sowjetunion ruhigzustellen. Zwar blieb die Sowjetunion in den Augen der schiitischen wie sunnitischen Fundamentalisten ein Unterteufel, aber Aufrufe zum Sturz der Sowjetmacht aus Teheran oder anderswo waren- Folge der politischen Neuorientierung- nicht mehr zu hören. Zum anderen suchte die Sowjetunion nach einem Gleichgewicht in der Golfregion, das nicht vollständig von den USA kontrolliert sein würde.

Nach Ende des Krieges sieht die Bilanz für die Sowjetunion nicht so übel aus. Sie hat zwar massig Geld eingebüßt, da der irakische Schuldner jetzt erst recht zahlungsunfähig ist und die Ölpreise nicht im erhofften Ausmaß gestiegen sind. Aber die Sowjetunion wird mit von der Partie sein, wenn es um die „Neuordnung“ der Staatenbeziehungen in der Region geht. Christian Semler