Gratis-Straße für Europa-Carton

■ Bausenator Kunick hebt seine Kompetenz hervor / CDU fordert Rücktritt

Bau-Staatsrat Manfred Osthaus ist „abgehalftert“. Sein Senator Konrad Kunick muß „so schnell wie möglich“ zurücktreten“. In der Baudeputation herrschen „Auflösungserscheinungen“. Mit starken Worten auf den Lippen kam der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Helmut Pflugradt, aus der Deputationssitzung vor die Presse gelaufen, um seine Einschätzung der Sitzung zu verkünden: „So ein Durcheinander habe ich seit 1975 nicht mehr erlebt.“ Das Chaos hat Pflugradt besonders beim Tagesordnungspunkt Europa-Carton ausgemacht, bei dem sich die SPD-Deputierten und der SPD- dominierte Beirat Hemelingen nicht über eine Erschließungsstraße einigen konnten.

Diesen Streit hat eigentlich Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer zu verantworten. Der hatte Europa-Carton bei den Verhandlungen um eine Umsiedlung des Betriebes eine Verlängerung der Straße Funkschneise um 350 Meter zugesagt, obwohl das neue Gelände bereits mit einer Straße von 100 Metern zu erschließen wäre. Dieses Verhandlungsergebnis war von der Bürgerschaft abgesegnet worden und nur die Grünen hatten dagegen votiert. Inzwischen will CDU-Pflugradt wissen, warum denn diese Straße so lang werden muß, und berichtet, daß dies in der Deputation niemand habe erklären können.

In einer nachfolgenden Pressekonferenz bemühte sich Konrad Kunick dies nachzuholen. „Weil die Bürgerschaft dies beschlossen hat“, meinte er. Europa-Carton habe auf dem Grundstück nicht genügend Platz für eine Erschließung der Hallen, deshalb sei es notwendig, auch den hinteren Teil des Geländes direkt anfahren zu können. Die Europa-Carton- Exclusiv-Straße kostet den Steuerzahler 1,85 Millionen Mark.

Die Grünen vermuteten nach der Sitzung, daß die Funkschneise nicht lange Sackgasse bleiben wird. Die Abgeordnete Irmgard Jahnke fürchtet, daß alte Pläne reaktiviert werden, die Funkschneise bis zur 50 Meter entfernten Nauheimer Straße weiterzuführen. Jahnke: „Warum wehrt sich die Umweltsenatorin sonst dagegen, das Ende der Straße zu begrünen?“

Bausenator Konrad Kunick mochte diesen Durchstich auf Nachfrage nicht völlig ausschließen. Er halte dies zwar nicht für „opportun“, da dann neue Probleme in einem Wohngebiet geschaffen würden, doch endgültig geklärt werden könne dies erst, wenn ein Verkehrskonzept für Hemelingen erstellt sei. Bei dieser Gelegeheit erläuterte Kunick auch, was der oberste Verkehrskoordinator Klaus Wedemeier meint, wenn er davon spricht, daß bis zum Herbst eine Alternative zum Hemelinger Tunnel vorgelegt werden soll. Die Osterholzer Heerstraße soll in den Kreuzungspunkten „leistungsfähiger“ gemacht werden. Dadurch sollen die Autofahrer, die bislang den kurzen Weg durch die Verkehrshölle am Brüggeweg nehmen, auf den langen Umweg über das Bremer Kreuz gelockt werden.

Zur Einrichtung der Senatskommision Verkehr äußerte sich Kunick verhalten. „Ich wehre mich gegen eine Schmälerung des Bauressorts. Ich habe klare Kompetenzen.“ Für die beschlossenen Maßnahmen sei die Kommision „hilfreich“. hbk