Pazifistin besiegt posthum den Kriegsminister

■ Verden ehrt heute die Radikale Frauenrechtlerin Anita Augspurg mit einer Platz-Umbenennung

Anita Augspurg, „Urgroßmutter der autonomen Frauenbewegung“, hat posthum doch noch über ihren Zeitgenossen, den preußischen Kriegsminister Karl von Einem, gesiegt. Heute, am

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alte Frauenbild

Die Pazifistin und Frauenrechtlerin Anita Augspurg

Internationalen Frauentag, wird in Augspurgs Geburtsstadt Verden der „Von-Einem-Platz“ in „Anita-Augspurg-Platz“ umbenannt. Diesem simplen Akt des Schildertauschs ging eine sechsjährige politische Auseinandersetzung voraus. Frauenbewegung und Grüne, letztlich auch die SPD, stritten für die Umbenennung, CDU und einige Anwohner des Platzes dagegen.

Das Patt im Stadtrat entschied der einzige FDP-Abgeordnete zugunsten Augspurgs und beendete damit zugleich seine eigene politische Karriere. Nachdem die Verdener Grün-Alternativen schon seit 1981 auf nazifreundliche Äußerungen in den Memoiren des Generaloberst aufmerksam gemacht hatten, forderten Verdener Frauengruppen auf ihrer ersten Frauenwoche 1985 die Umbenennung des Platzes auf den Namen der pazifistischen Frauenrechtlerin.

Die am 22. September 1897 in Verden geborene Anita Augspurg war eine der zentralen Figuren des radikalen Flügels der deutschen Frauenbewegung. Mit Beginn des ersten Weltkrieges rief sie zur „Totalverweigerung“ aller Kriegshilfsdienste, einschließlich des Lazartettdienstes, auf. „Halbtot geschundene Menschen wieder lebendig und gesund machen, um sie abermals den gleichen oder noch schlimmeren Qualen auszusetzen? Nein, für solchen Wahnsinn würden wir uns nicht hergeben“, schrieb ihre Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann in den gemeinsamen Memoiren. Der hurra-patriotische „Bund deutscher Frauenvereine“ schloß die Radikalen daraufhin aus. Doch bis zu ihrem Tod 1943 im Züricher Exil engagierte sich Augspurg weiter in der Frauenfriedensbewegung, zum Beispiel bei der Durchführung eines internationalen Frauenkongresses mitten im ersten Weltkrieg.

Die konservative Verdener Mehrheit hatte kein Interesse, die Pazifistin ausgerechnet in der „guten Stube“ zwischen Dom und Fußgängerzone zu ehren. Starke Emotionen rief bei der Beratung der Umbenennung im Stadtrat 1989 aber vor allem die von den Grünen und Teilen der SPD geforderte Distanzierung von General von Einem hervor. Der preußische Kriegsminister (1903 bis 1909) war als junger Offizier drei Jahre in der Garnisonsstadt Verden stationiert gewesen. Seinen Memoiren („Erinnerungen eines Soldaten“) ist zu entnehmen, daß er für die Weimarer Demokratie nichts übrig hatte, für die aufstrebenden Nationalsozialisten dagegen um so mehr: „Bis zum Jahr 1939 hielt ich mich zurück. Die Hoffnung auf die ewigen Kräfte Deutschlands, die wir in der nationalen Bewegung verkörpert sehen, gab den Willen, wieder mitzukämpfen für das Deutschland von morgen: das Dritte Reich.“

CDU-Bürgermeister Hartmut Friedrichs sah in diesen Äußerungen keinen Grund für eine Umbenennung des Platzes: „Wir machen das nicht wie bisher in Moskau, wo man die Namen von in Ungnade gefallenen Menschen ausgelöscht hat.“ Was Heimatverein und Rat 1933 beschlossen hatten, sollte heute nicht falsch sein. Der FDP-Abgeordnete Reinhardt Berner, Zünglein an der Waage zwischen beiden Lagern und mit der CDU in einer Fraktionsgruppe verbunden, sah das anders: „Eine Entscheidung für eine Umbenennung wäre zugleich ein kleines Stück Vergangenheitsbewältigung: Eine reichlich späte Absage an den militaristisch-faschistischen Teil der deutschen Geschichte und zugleich ein Bekenntnis zur Idee der Gleichberechtigung, die ja unabdingbare Voraussetzung der Demokratie ist.“ Seine Partei distanzierte sich öffentlich von ihm, er wird nicht wieder für den Rat kandidieren.

Auch die heute noch in Bremen ansässige Familie von Einems griff per Leserbrief in die Debatte ein und wehrte sich gegen die „Liquidierung dieser als Ehrung gedachten Platzbenennung“.

Mit Berners Stimme kam die Mehrheit für den Anita-Augspurg-Platz zwar zustande. Aber der Stadtdirektor hätte das Shild am liebsten klammheimlich aufgehängt. Und der Bürgermeister wird keine Rede halten. Nur die Verdener Frauengruppen wollen heute an das bis heute aktuelle Engagement Augspurgs „für einen dauerhaften Frieden“ erinnern. asp