Wenn Müllschieberei Spuren hinterläßt ...

■ Ein Umweltkrimi mit lauter Unschuldigen und dem großen Unbekannten/ Boden mit äußerst seltener Blausäure taucht auf dem ehemaligen Todesstreifen auf/ Kurz vorher soll blausäurebelastete Erde in Reinickendorf verschwunden sein

Reinickendorf/Teltow. Herr Pfeilschmidt will es nicht gewesen sein. Dumm nur, daß in einem Graben am ehemaligen Grenzstreifen zwischen Teltow und Steglitz erstmals Blausäure und Öle entdeckt wurden, nachdem der Transportunternehmer Anfang dieses Jahres tonnenweise Erde ablud.

Der Geschäftsführer der gleichnamigen Firma hat jedenfalls Anzeige gegen das Umweltamt der Stadt Teltow erstattet, weil es seine Firma verdächtige, die Umweltsauerei angerichtet zu haben. Sein Altboden, regt sich Pfeilschmidt auf, sei »kein bißchen verunreinigt« gewesen — von ihm beauftragte Labors hätten nur »unwesentliche, nicht erwähnenswerte Rückstände« ausmachen können. Außerdem habe der Wirtschaftsstadtrat ausdrücklich erlaubt, den Boden in den Graben am ehemaligen Todesstreifen zu schütten.

Vielleicht waren es auch nicht Pfeilschmidts Laster, von deren Pritschen der verseuchte Boden rutschte, sondern der große Unbekannte. Egal aber, wer es war: die Alterde hätte nicht in die Brandenburger Landschaft gekippt werden dürfen, da sie mit über ein Gramm Ölrückständen per Kilo achtmal höher als erlaubt belastet ist. Vielleicht wußte das der unbekannte Umweltsünder — was er vermutlich nicht wußte: Altboden ist so selten blausäurehaltig, daß Kriminalisten möglicherweise nachweisen können, von wo die Suppe einmal hergekommen ist.

Meist bildet sich die nach Bittermandeln riechende Blausäure (chemisch: Cyanide) nur im Boden in unmittelbarer Nähe von Gaswerken. Pfeilschmidt sagt nun, er habe den Boden zusammen mit Bauschutt von Baustellen, einer S-Bahn-Böschung und einer Laubensiedlung geholt und nirgends gebe es dort Cyanide. Der Umweltstadtrat Udo Bensel aus Teltows Nachbarbezirk Steglitz hat nun aber etwas ganz anderes entdeckt. Seit Ende Dezember sei auf einem Betriebsgelände der Berliner Stadtreinigungsbetriebe in Reinickendorf blausäureverseuchter Boden containerweise verschwunden, erzählt der AL-Politiker.

Auf den Spuren der verschwundenen Container ist nun auch die Staatsanwaltschaft. Noch wisse man nicht, was für Erde in den entfernten Containern enthalten war oder wer sie dort abgestellt hatte, erklärt der zuständige Staatsanwalt der taz. Bekannt ist aber, daß auf dem BSR-Gelände in der Reinickendorfer Flottenstraße drei Jahre an die 2.000 Kubikmeter cyanidverseuchte Erde gelagert worden waren. Der Giftboden hatte 1987 für eine Menge Schlagzeilen gesorgt, als Arbeiter mit den Baggerarbeiten für das Eisstadion in Wilmersdorf begonnen hatten und auf eine blaue, ölige Schicht gestoßen waren.

Dort war nach dem Krieg ein Gaswerk abgerissen und das entstandene Loch mit Bauschutt aufgefüllt worden. Damals stellte der Umweltsenat fest, daß per Kilo Boden bis zu 1,8 Gramm Blausäure, bis zu 27 Gramm Kohlenwasserstoffe, bis zu 16 Gramm aromatische Kohlenwasserstoffe und bis zu 120 Milligramm Phenole vorhanden waren und mußte gegenüber der Öffentlichkeit eingestehen: »Die Werte sind erschreckend.« Die Bauarbeiter bekamen Kopfschmerzen, mußten mit Gasmaske weiterarbeiten und der Boden wurde bei der BSR in der Flottenstraße zwischengelagert.

Die etwa 6.000 Tonnen Erde vom Eisstadion wären von dort allerdings erst wieder wegtransportiert worden, nachdem sie in einer nahegelegenen Bodenwaschanlage gereinigt worden sein sollen, erklärte ein Mitarbeiter der Stadtreinigungsbetriebe auf Anfrage der taz. Wo die Tonnen porentief-reiner Erde abgeblieben sind, darüber gäbe es allerdings keine Unterlagen, erklärt Hans-Joachim Kaufmann, Leiter der Ordnungsabteilung für Bauabfallentsorgung in der Senatsbauverwaltung. Gewaschener Boden sei schließlich sauber. Die bei der Reinigung angefallenen hochgiftigen Reststoffe seien noch immer im Westhafen zwischengelagert, erklärt der Beamte weiter.

Umweltstadtrat Bensel will den Worten nicht ganz glauben. Er kann sich vorstellen, daß nur ein Teil der 6.000 Tonnen Sondermüll gewaschen wurden. Der giftige Rest könne dann mit der gewaschenen Erde gemischt worden sein. Dies sei ein »üblicher« aber verbotener Branchentrick, um so die teuren Waschkosten zu sparen, erklärt der Umweltpolitiker. Dirk Wildt