Olympia — aus Liebe zu Deutschland

■ Nationales Olympisches Komitee nimmt Bewerbung Berlins entgegen/ Bund beteiligt sich schon an den Vorkosten/ Entscheidung im September

Berlin. Eigentlich gibt es nur zwei Situationen, in denen Politikern Worte wie Frieden, Verständnis, Freundschaft und Harmonie reihenweise aus dem Mund perlen: Wahlkampf oder — seltener — eine Olympiabewerbung. Letzteres ereignete sich gestern im Wappensaal des Roten Rathauses. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen überreichte dem Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK), Willi Daume, vor rund 200 Gästen die Olympiabewerbung der einzigen deutschen Stadt für das Jahr 2000. 120 Seiten stark ist das Empfehlungsschreiben, das das NOK Mitte 1992 an das Internationale Olympische Komitee (IOC) überreichen wird. Die olympischen Würfel fallen schließlich im September 1993 in Monte Carlo zwischen den Bewerbern Berlin, Peking, Buenos Aires, Brasilia, Sydney, Toronto, einer Stadt in Marokko, Manchester oder London.

Trotz der Konkurrenz macht sich Diepgen Hoffnung. Berlin als der »Hoffnungsträger für eine bessere Welt« sei auch in neun Jahren noch der »krönende Abschluß der Entspannungspolitik«. Zudem könne die Stadt die Spiele kulturell umzingeln, es wäre kein losgelöstes Fest auf der grünen Wiese, selbstredend alles umweltfreundlich und behindertengerecht.

Rund fünf Milliarden Mark soll das Spektakel kosten, das »Berlin nach vorne bringt« (Diepgen). Die Infrastruktur würde verbessert, 15.000 Wohnungen für das Olympischen Dorf anschließend Berlin zur Verfügung stehen. Und das alles mit Zuschüssen aus dem Bundessäckl: Innenminister Schäuble hat bereits zugesagt, daß sich der Bund an den Vorabkosten beteilige. 1972 in München hingegen zahlte der Bund erst mit, als die Stadt tatsächlich vom IOC nominiert wurde. Das aber sei für Berlin viel zu spät, drängelt Diepgen. Er verkündete, daß bald schon der erste Spatenstich für Olympia getätigt würde. Mit vier neuen Hallen sollen neue Argumente geschaffen werden.

Der nächste Schritt zur Sanierung Berlins durch Olympia ist nun die Ablösung des Olympiabüros durch die Olympia-GmbH, die spätestens zum 30. Juni erfolgen wird. Geheimnisumwoben ist nach wie vor, wer die Geschäfte führen soll. Diepgen, erbost über die öffentliche Debatten, hüllt sich in Schweigen und rief statt dessen die Bürger Berlins auf, die Olympischen Ideen mitzutragen. Nüchterner formulierte es NOK- Chef Daume: »Wir kommen mit der Höflichkeit des Armen und sagen: Ihr müßt es zahlen.« Dafür versprach er persönlichen Einsatz. »Nicht alle bringen Deutschland Liebe entgegen. Doch wir werden diesen Feldzug mit Takt und Einfühlungsvermögen führen.« Denn schließlich sei das alles eine Sache der intensiven persönlichen Zuwendung gegenüber den IOC-Mitgliedern. Michaela Schießl