Eine gelbe Schleife für die neue Weltordnung

■ Mit Kriegsbeginn vollzog sich ein überraschender Meinungsumschwung bei den US-Amerikanerinnen: Von Kriegsgegnerinnen verwandelten sie sich in patriotische Ehefrauen, Mütter, Schwestern...

Von Cynthia Enloe

Kurz vor dem Golfkrieg deckten Umfragen überraschende Unterschiede zwischen den Geschlechtern („gender gaps“) auf: Amerikanische Frauen unterstützten weit weniger einen Krieg mit dem Irak als amerikanische Männer. Eine Woche, bevor die Kämpfe begannen, zeigte eine Umfrage des Fernsehsenders ABC und der 'Washington Post‘, daß nur 58 Prozent der befragten Frauen Krieg für die beste Antwort der amerikanischen Regierung auf Saddam Hussein hielten, im Gegensatz zu 82 Prozent der Männer. Die Differenz von 24 Prozent ist für die Meinungsforscher eine gewaltige Kluft.

Dann begannen am 16. Januar die Bomben auf Bagdad zu fallen. Während es Bomben regnete, begann sich die Spanne zwischen Männern und Frauen zu verkleinern. Aber nicht die Männer änderten ihre Meinung, sondern die Frauen. Am 20. Januar hatte sich der Unterschied bereits auf zehn Prozent verringert. George Bush rechtfertigte den Einsatz der Armee gegen die Iraker mit dem Schutz der „Neuen Weltordnung“.

Die männliche Elite bestimmt die Ordnung

Bushs Weltordnung beruht ihrerseits auf „gender gaps“: George Bush, Colin Powell, John Major, Saddam Hussein, Yitzak Shamir, die irakischen republikanischen Garden, britische Tornado und amerikanische B-52-Piloten bleiben staatliche Elite, ihre Männlichkeit wird nicht hinterfragt. Die Ehefrauen dieser Männer, amerikanische Soldatinnen mit einer M-16 über dem Arm und saudische Frauen, die für den Führerschein auf die Straße gehen, tauchen natürlich als Frauen auf, über die geredet wird. Sie liefern allerdings mehr den unbedeutenden, trivialen Stoff für die „menschlichen“ Geschichten der Journalisten. Wie Feministinnen in den letzten Jahren aufzeigten, ist jede öffentliche Machtordnung abhängig von der Kontrolle über das Weiblichkeitsideal und von der Präsenz von Frauen als Arbeiterinnen, Fürsorgende und Sexualpartnerinnen. Ohne die Unterscheidung nach Geschlechtern macht für uns keine noch so hoffnungsvolle Weltordnung der Regierenden einen Sinn. Die Meinungsunterschiede zwischen den amerikanischen Männern und Frauen vor dem 15. Januar sowie die jüngste dramatische Annäherung muß genau erklärt werden. Schließlich kann die militante Pax Americana, die gar nicht so unbekannte neue Weltordnung, nur mit Hilfe der Frauen funktionieren.

Die jetzige Weltordnung ist nur „in Ordnung“, wenn nationale Sicherheitsexperten auf Männer als die Verantwortlichen rechnen können, Diplomaten von unbezahlten Ehefrauen bedient werden, Nationalisten auf die Huldigungen ihrer Frauen an die männliche Kultur zählen können, multinationale Unternehmen die Arbeit „feminisieren“ und damit verbilligen, verschuldete Regierungen für Devisenüberweisungen Frauen als Hausangestellte ins Ausland schicken und Technokraten Supermütter als Vorbilder der modernen Zeit feiern.E

US-Soldaten und „unsere Jungs“

Eine militarisierte Weltordnung braucht Frauen, die bereit sind, ihren Lohn in einer militarisierten Weiblichkeit zu finden. Ehefrauen, die sich weigern, eine aufopferungsvolle Soldatenfrau zu sein, Mütter, die den Militärdienst ablehnen, wenn ihre Söhne ins Mannesalter kommen, junge Frauen, die Soldaten nicht als Garanten für eine „Staatsbürgerschaft erster Klasse“ ansehen, gefährden den Weltentwurf des George Bush. Für die USA war es wichtig, das „gender gap“ auszuräumen, um einen erfolgreichen Krieg im Golf zuführen. Viele Frauen mußten davon überzeugt werden, ihre Meinung zu ändern, ohne dabei ihre Begriffe von Weiblichkeit über Bord zu werfen.

Wahrscheinlich war der Schlüssel dazu die rhetorische Umwandlung von „amerikanischen Soldaten“ in „unsere Truppen“. Die Meinungsunterschiede verwischten, als die Soldaten den eigentlichen Kämpfen ausgesetzt waren. Die Frauen, die ihr „yellow ribbon“ um eine alte Eiche, eine Autoantenne, einen Verandapfeiler oder ein Ladenschild banden, sahen sich meist nicht als jemand, der so etwas Grandioses wie eine neue Weltordnung bestätigt. Eher sahen die Frauen sich in der Rolle derjenigen, die Söhne, Töchter, Nachbarn und Freunde moralisch unterstützt. Für die amerikanische Sicherheitselite allerdings stellten sie die freiwillige, weibliche Heimatfront dar, in Ergänzung zum — abgesehen von den 28.000 Soldatinnen — männlichen Schlachtfeld. So gut gemeint und menschlich verständlich diese Bänder auch sein mögen, jedes einzelne macht es schwieriger, weiterhin zwischen der Sorge für bestimmte Soldaten auf der einen Seite und dem Widerstand gegen die Politik Bushs auf der anderen Seite zu unterscheiden.

Patriotismus war für Frauen immer ein Feld, zu dem sie besonders schwer Zugang hatten. Für viele ging es nur über die Wege „Mutterschaft“ oder „Ehefrau“. Wenn eine Frau nicht aus eigenem Verdienst Patriotin sein kann, dann versucht sie vielleicht eine patriotische Mutter oder patriotische Ehefrau zu werden. Die Regierungen bestärken Frauen gerne in dem Glauben, weibliche Loyalität in der Familie sei gleichzusetzen mit patriotischen Tugenden. In Kriegszeiten wird für Frauen die Nation zur Familie.

Der Golfkrieg hat diesen Mythos nochmals bekräftigt. Das amerikanische Militär hat nun genauso Töchter wie Söhne; dennoch blieb die Seele der Institution „Kampf“ intakt. Solange die Allierten auf den Luftkrieg setzten, wurde die Vorstellung von Amerikas Stärke weiterhin mit männlichen Superwaffen verbunden und nicht mit weiblicher Bodenmechanik.

Die Armee ist nicht mehr „das Andere“

Gleichzeitig hat das Vertrauen, das die Militärs in die über 200.000 Frauen in Uniform setzten, einen neuen Deckmantel der Glaubwürdigkeit ausgebreitet. Die Institution Armee scheint doch nicht so anachronistisch zu sein. Sie kann nun im Gegenteil für sich beanspruchen, amerikanischen Frauen den Weg zu ebnen, zum vollen politischen Status von Menschen, die bereit sind, „für ihr Land zu sterben“. Für viele US- Amerikanerinnen ist heute die Armee nicht mehr „das Andere“. Das Pentagon schaut jeden Tag mehr aus wie das Militärkrankenhaus einer beliebten Fernsehserie. Und das macht es noch besser geeignet, die gar nicht so unbekannte neue Weltordnung amerikanischen Zuschnitts auszubauen und zu befestigen. Nicht nur die amerikanische Gesellschaft, auch die saudische, ägyptische, kuwaitische, israelische, irakische, britische, japanische und deutsche Gesellschaft führten diesen Krieg in einem Augenblick historisch spezifischer Geschlechterbeziehungen. Zum Beispiel hat der Krieg unter saudischen Männern die Diskussion ausgelöst, ob saudischer Nationalismus vereinbar sei mit der Abhängigkeit von Soldaten fremder Mächte. So hat der erste erfolgreiche Einsatz eines saudischen Piloten langfristig Auswirkungen auf die saudischen Frauen. Müsssen im Nachkriegs- Saudi-Arabien die Frauen, die gerade nun politische Rechte begehren, nicht nur mit religiös gerechtfertigten, sondern auch mit militärisch verbrämten patriarchalen Barrieren rechnen? Ebenso haben Amerikaner das „gender gap“ in den letzten zwei Jahrzehnten nur dann zur Kenntnis genommen, wenn Frauen ihre eigenen Sichtweisen in vielen politischen Bereichen entwickelten, sich organisierten und mehr und mehr bereit waren, Frauen als ihre Vertreterinnen in die politischen Instituionen zu schicken.

Schuldgefühle gegenüber dem Vietnamveteranen

Nicht zuletzt wurde der Golfkrieg im Schatten der Geschlechterpolitik eines anderen Krieges geführt. Der Vietnamkrieg hat ein kulturelles Vermächtnis an Schuld hinterlassen - den betrogenen männlichen Veteranen. Es brauchte 15 Jahre und eine Menge Zelluloid und Papier, um ihn zu kreieren — aber heute ist er eine mächtige Figur, die vielfältige Emotionen auslösen kann. Während es mindestens 7.500 weiblichen Vietnamveteraninnen gibt, ist es der männliche Vietnamveteran, dessen Bild über dem jetzigen Krieg lag. Für ihn wie für die Soldaten im Golf banden viele Frauen ihre gelben Bänder um Bäume und Antennen.

Auch dieser Krieg handelt von Männlichkeit, wie jeder Krieg. Aber es ist eine historisch und sozial besondere Männlichkeit. Ohne die Schuldgefühle gegenüber dem betrogenen Vietnamveteranen, ohne einen öffentlichen Diskurs, in dem die Geschichten der Soldaten die Diskussionen über die Fehler der Regierungspolitik ersetzten, wäre es vielleicht schwerer geworden, die Frauen des 15. Januar, die gegen den Krieg waren, umzuwandeln in die Frauen des 20. Januars, die den Krieg unterstützten.

Cynthia Enloe ist Autorin eines in den USA sehr bekannten Buches über internationale Beziehungen aus feministischer Sicht: Bananas, Beaches and Bases. Ihren Artikel entnahmen wir der 'Village Voice‘.