Slowakisches Bürgerforum gespalten

■ National-slowakische Plattform gegründet

Prag (taz) — Nach der Spaltung des tschechischen Bürgerforums (OF) bilden sich nun auch in ihrer „Schwesterorganisation“, der slowakischen „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ (VPN), zwei Flügel. Doch während sich in Böhmen und Mähren die politischen Ziele beider Strömungen nur in Details unterscheiden und die Arbeit der von ihnen getragenen Regierung so nicht beeinträchtigt wird, könnte die am vergangenen Dienstag entstandene „Plattform“ des slowakischen Ministerpärsidenten V. Mečiar die Machtverhältnisse in Bratislava entscheidend verändern. Mečiar hat sich wiederholt als „national-demokratischer“ Politiker bezeichnet. Viele seiner Positionen stimmen weniger mit denjenigen des OF und der VPN als denen der Christdemokratischen Bewegung (KDH) überein. Diese stärkste politische Gruppierung der Slowakei fordert, die tschechoslowakische Föderation durch eine Konföderation zweier selbständiger Staaten zu ersetzen. Für Mečiar stellt sich nun die Frage, ob er gemeinsam mit der KDH und anderen nationalistischen Gruppierungen eine Regierung bilden soll, deren Hauptziel eine immer größere Unabhängigkeit der Slowakei sein würde.

Doch auch für die Politik der Föderalregierung hätte die Teilung der VPN Konsequenzen. Bereits einen Tag nach der Bildung der Plattform haben zehn der fünfzig Abgeordneten des slowakischen Koaltionspartners ihren Beitritt erklärt. Besonders Finanzminister Vaclav Klaus durfte es daher immer schwerer fallen, die notwendige Zustimmung zu seinen besonders in der Slowakei kritisierten ökonomischen Reformgesetzen zu erhalten. Den Anlaß für die nur zehn Tage nach dem letzten Kongreß der VPN erfolgten Spaltung bildete eine bisher ungeklärte Zensuraffäre. Angeblich sollte der allwöchentliche Fernsehauftritt Mečiars vom Vorsitzenden der VPN, Fedor Gal, vor seiner Ausstrahlung überprüft werden. Während Gal dies bestreitet, werfen die Anhänger des Ministerpräsidenten dem obersten Führungsgremium vor, sich „wie das ehemalige kommunistische Zentralkomitee zu verhalten“. Mečiar vermutet, daß die Angriffe auf ihn von Prag aus unterstützt werden. Dies scheint nicht unwahrscheinlich. Beide Strömungen des OF konnten sich mit dem „autoritativen Charakter“ des slowakischen Premiers nie anfreunden. Sabine Herre