Protest gegen Kündigung kein Entlassungsgrund

■ Münchner Firma vorerst vor Gericht gescheitert

München (taz) — Der Streit um die Kündigung des Emailleurs Lothar Steinert ist vom Landesarbeitsgericht Bayern vorerst für den Arbeiter entschieden worden. Verhandelt wurde die Frage, ob der lautstarke Protest gegen die Kündigung selbst zur Auflösung eines Arbeitsverhältnisses führen kann.

Alles hatte im August 1989 mit einer Bombendrohung in der Firma Wamsler Herd & Ofen begonnen. Anstatt die mit explosiven Lösemittel gefüllte Halle zu räumen, befand die Kriminalpolizei gemeinsam mit Geschäftsleitung und Betriebsratsvorsitzendem, die Sicherheit der 400 Werksangehörigen sei mit Stillschweigen gewährleistet. Als dies ruchbar wurde, wandte sich Steinert in der Betriebsversammlung im Dezember gegen das „fast menschenunwürdige Verhalten“ der Verantwortlichen. Wamsler kündigte ihm und verhängte Hausverbot. Steinert klagte und sammelte nahe des Betriebsgeländes Unterschriften gegen seine Entlassung, verteilte Flugblätter und bemalte ein Transparent. GewerkschafterInnen bildeten das „Solidaritätskomitee Lothar Steinert“.

Im März 1990 erklärte das Arbeitsgericht München die Kündigung für unwirksam. Wamsler verweigerte die Weiterbeschäftigung und ging in Berufung. Die Chance schien Paragraph 9 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) zu bieten: Liegen Gründe vor, heißt es da, „die in den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen“, kann das Gericht seinerseits die Auflösung des Arbeitsverhältnisses veranlassen. Diese Gründe, meinte Wamsler, seien Steinerts Flugblätter. Lothar Steinert folgerte vor Gericht: „Ich darf meine Meinung nicht frei sagen. Unternehme ich was gegen die Kündigung, heißt es: Die ist zwar unrechtmäßig, aber rausfliegen tust du trotzdem.“ Das Gericht jedoch beschied, daß Steinert wieder bei Wamsler arbeiten darf. Die Firma hat allerdings inzwischen eine zweite Kündigung ausgesprochen und im jetzigen Verfahren die Revisison beim Bundesarbeitsgericht angekündigt. Abwarten. Mirjam Schaub