Interaktives Kino

■ Erste freie Filmwahl!

Und Sie, kommen Sie zurecht? Ihr Tisch ist noch ein Tisch, und wo Sie draufhaun, ist Putz? Recht so. Wie wacklig wär's doch bestellt um die Welt, schössen wir ihr nicht Vertrauen vor, das Vertrauen, sie wäre stabil. Der Dokumentarist Peter Krieg (“Septemberweizen“; „Die Seele des Geldes“; „Maschinenträume“) hat einen Film gemacht, der solches kindergläubische Werktagsdenken ein bißchen unterläuft.

Da können Sie Elvis-Imitatoren sehen, wie sie, auf'm Wettbewerb in Ludwigshafen, das Liedgut des Größten röhren. Unter anderem den Song, der dem Film Suspicious Mind den Titel gegeben hat: „We can't go on together with suspicious minds“. Suspicious: skeptisch und verdächtig. Oder Sie sehen Szenen von den ersten Parlamentswahlen in der verflossenen DDR, und zwischendrin aber immer wieder, ganz unbefangen hineingeschnitten: die führenden Wissenschaftler des Chaos, des Unvorhersehbaren. Und allen fällt was ein zu Kriegs allerliebstem Thema, wonach nämlich die Wirklichkeit eine soziale Konstruktion sei. Es reden u.a. Humberto Maturana, Helm Stierlin und der dicke Chaosforscher Mandelbrot. Und allesamt umtänzeln die Frage, wie wir uns die Welt zusammendenken und wer die Definitionsmacht kriegt. Achten Sie bei Gelegenheit auf den Boden unter Ihren Füßen.

Aber zum Glück erleben Sie nebenbei die Premiere des Interaktiven Films. Sie haben nämlich kleine Geräte in der Hand, mit denen Sie per Knopfdruck über den Gang des Films abstimmen können. Ein Computer setzt die in freien Wahlen ermittelte Mehrheitsmeinung in Steuerbefehle um und blendet, je nach Wunsch, Fußnoten, Hilfstexte oder Schaubilder in den visuellen Mainstream. Technische Grundlage: Der Haupt-Film ist auf Bildplatte überspielt, ein Video-Beamer projiziert das Konglomerat auf eine Leinwand.

Das Blöde ist, wie im Leben: Sie wissen, wenn Sie Ihr Knöpfchen drücken, nicht, was sich mehrheitlich durchsetzt. Und Sie wissen nicht, wie der unbeeinflußte Film aussähe. Sie sind, was ein echtes kybernetisches Abenteuer ist, verloren in einem klassischen selbstgesteuerten System. Fällt Ihnen was auf? Das ist der schreckliche Sieg der Parlamentarischen Demokratie im Kino. schak

Heute, Samstag, um 18.30 Uhr ist der Film im Cinema in der (unbeeinflußbaren) Kino- Roh-fassung zu sehen, morgen um 20 Uhr dann mit allem Drum & Dran im Kultursaal der Angestelltenkammer, Bürgerstr.