SPD streitet um künftigen Bundeswehreinsatz

■ Landesvorsitzende strikt gegen, Justizsenator bedingt für Einsätze auch außerhalb des Nato-Gebietes

Der Steit um einen künftigen Einsatz der Bundeswehr außerhalb des Nato-Gebietes ist jetzt auch in der Bremer SPD entbrannt. Nachdem sich Justizsenator Volker Kröning am Montag auch Bundeswehrmissionen außerhalb der Nato vorstellen konnte — „allerdings nicht in einer Vormachtrolle, sondern so wie Italien, Kanada, Schweden oder nicht-paktgebundene Länder wie Indien“ —, erklärte die Bremer Landesvorsitzende, Ilse Janz, am Donnerstag noch einmal ihre scharfe Ablehnung jeder Bundeswehr- Beteiligung an Uno-Militäraktionen.

„Überraschend ist, daß einige Sozialdemokraten die entsprechenden Beschlüsse der Parteitage von Münster und Berlin, die jeglichen militärischen Einsatz der Bundeswehr außerhalb des Vertragsbereiches des Bündnisses für verfassungsrechtlich unzulässig erklären, entweder nicht kennen oder schon für überholt ansehen“, erklärte die Bremer Landesvorsitzende.

Einen Schlagabtausch gab es in dieser Frage auch in Niedersachsen. Der Chef der SPD- Landtagsfraktion, Johann Bruns, stellte sich gestern ausdrücklich gegen Ministerpräsident Gerhard Schröder. Bundeswehr-Einsätze sollten nicht auf „Blauhelm-Aktionen“ beschränkt werden, erklärte Bruns, „dies wäre ein billiger Versuch, aus der Klemme zu kommen.“ Schröder hatte dagegen Anfang der Woche jede Regelung strikt abgelehnt, die mehr als eine deutsche Beteiligung an UNO-Blauhelm-Aktionen ermögliche.

Am Donnerstag abend diskutierten rund 30 Mitglieder der Bremer Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) über das Thema. Einigkeit bestand darüber, daß ein Einsatz deutscher Soldaten auch innerhalb der Nato in jedem Fall an eine Zustimmung des Parlamentes mit Zweidrittelmehrheit geknüpft sei. Strittig war jedoch, ob die SPD für den deutschen Militäreinsatz außerhalb des Bündnisgebietes eine Verfassungsänderung anstreben sollte.

„Wir können von Glück sagen, daß wir in dieser Frage nicht das Bundesverfassungsgericht angerufen haben“, sagte ASJ-Mitglied Michael Göbel. Das Grundgesetz lasse nämlich bei „konservativer Interpretationen“ durchaus den UNO-Einsatz deutscher Truppen zu. Verwaltungsrichter Hans Alexy plädierte für ein neues „System kollektiver Sicherheit“, in dessen Rahmen deutsche Soldaten auch im UNO-Rahmen eingesetzt werden könnten. „Derzeit wird die SPD in der Verfassungsdiskussion von der CDU an die Wand gedrückt“, meinte Alexy.

Gegen eine Verfassungsänderung spach sich der Bundestagsabgeordnete Ernst Waltemathe aus. „Wir haben in der Partei 1988 einen entsprechenden Beschluß gefaßt, der sich klar gegen die Beteiligung deutscher Soldaten an Uno-Truppen wendet. Wenn wir jetzt anfangen, da rumzurühren, stürzen wir die Partei in eine ähnliche Krise wie Ende der 70er Jahre beim Nato-Doppelbeschluß.“ Waltemathe befürchtet außerdem, daß eine Beteiligung bei den Uno-Friedenstruppen bei den Bündnis-Partnern „als kleiner Finger gewertet würde, dem bald die ganze Hand folgen wird.“

Wie kritisch eine militärische Beteiligung Deutschlands im Uno-Rahmen würde, erläuterte Gerd Winter. „Wir brauchen dringend eine Reform der Uno“, forderte der Bremer Jura-Professor und listete zahlreiche Völkerrechtsverstöße im Golfkrieg auf. So hätte zum Beispiel China als Mitglied des UNO-Sicherheitsrates für die Resolution 678 stimmen müssen, um den Krieg zu rechtfertigen. Weiter hätte der Uno-Sicherheitsrat, nicht die amerikanische Regierung nach Ablauf des Ultimatums über den Beginn des Krieges entscheiden müssen. „Auch die Entscheidung über die Bedingungen eines Waffenstillstandes hätten von der Uno geführt werden müssen“, meinte Winter.

ASJ-Mitglied und Staatsrat im Gesundheitsressort, Fritz Dopatka, forderte auch für finanzielle Kriegsunterstützungen eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. „Es ist zwar qualitativ etwas anderes, ob man Soldaten oder Geld schickt, aber am Ende läuft es auf das gleiche heraus.“ Bewährt habe sich in dieser Diskussion die Tatsache, daß die Bundesrepublik kein Berufsheer habe. „Die Wehrpflicht hat die Bundesregierung in diesem Fall erheblich diszipliniert“, meinte Dopatka.

Die GenossInnen befürchten außerdem, daß durch die grundgesetzlich festgeschriebene Beteiligung deutscher Soldaten im Uno-Heer die Außenpolitik militarisiert werde. „Ein vereintes Deutschland sollte sich entsprechend zurückhalten“, forderte der ehemalige Bundesvorsitzende der ASJ, Horst Isola und traf damit die Position auch der Landesvorsitzenden Janz: „Das vereinigte Deutshland muß ohne Zweifel eine größere außenpolitische Verantwortung tragen“, hatte sie erklärt, „diese Verantwortung muß allerdings jenseits militärischer Optionen liegen.“ mad/Ase/dpa