Nur drei Jahre Knast für Großdealer

■ Andre T. verdealte zweieinhalb Tonnen Haschisch und bekam statt 13 Jahren Haftstrafe nur drei Jahre Knast, weil er sich zum Kronzeugen machte/ Gericht warnt: Paragraph, der Verräter belohnt, könnte Pyrrhussieg für Staatsanwaltschaft werden

Berlin. Dealen lohnt wieder. Zumindest für diejenigen, die illegale Drogengeschäfte richtig aufziehen. Andre T., Gelegenheitsarbeiter, hatte über zweieinhalb Tonnen Haschisch (Marktwert etwa zehn Millionen Mark) und fünf Kilo Kokain (eine halbe Million Mark) über die holländische Grenze geschmuggelt und schmuggeln lassen. Das nötige Kurier- und Verkaufsnetz zog der 29jährige gleich mit auf. Dafür wären etwa 12 bis 15 Jahre Knast fällig — doch gestern verurteilte ihn eine Moabiter Schwurgerichtskammer zu nur drei Jahren Haft. Das ist die Belohnung für T.s Verrat: Er hatte im Juli vergangenen Jahres Lieferanten, Kuriere und Abnehmer preisgegeben. Sein 350 seitiges Vernehmungsprotokoll führte bisher zu 30 Festnahmen und 50 Ermittlungsverfahren. In dem gestrigen Prozeß waren acht Kuriere und Kleindealer mitangeklagt und bekamen zum Teil höhere Strafen als der Drahtzieher.

Daß Richter die Strafe für Verräter erheblich geringer ausfallen lassen oder ganz auf sie verzichten können, ermöglicht Paragraph 31 des Betäubungsmittelgesetzes. Der Vorsitzende Richter zweifelte gestern allerdings an dem Sinn des Paragraphen. Er werde das Gefühl nicht los, so der Vorsitzende, daß die Staatsanwaltschaft einen Pyrrhussieg davontrage. Mit dem 31er seien Strafen erwirkt worden, »die in keinem Verhältnis zur Schuld der Täter stehen«. Weil der Gelegenheitsarbeiter Andre T. für das Besorgen und Handeln mit 2.500.000 Gramm Dope nur drei Jahre bekomme, hätten auch die anderen acht Angeklagten nur viel zu milde bestraft werden können. Dennoch muß einer wegen Beihilfe zum Koks-Handel für vier Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Zwei junge Männer gehen für vier Jahre und für drei Jahre und drei Monate in Bau — obwohl sie lediglich jeweils nicht einmal 100 bis 150 Kilo Shit vertickert hatten. Die Fahrer, die den Stoff meist in Mietwagen aus Amsterdam abholten und manchmal für eine Fahrt nicht einmal 10 Mark Stundenlohn (!) erhielten, kamen mit Bewährungsstrafen davon.

Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Fätkinhäuer gestand gegenüber der taz ein, daß das gefährliche Potential nicht auf der Anklagebank, sondern »woanders sitzt«. Die Fahndung nach zwei Amsterdamer Lieferanten, deren Adressen T. angegeben hatte, war bisher aber erfolglos. Immerhin sitzt zur Zeit ein von T. verratener mutmaßlicher Großhändler.

Verteidigerin Felicitas Seelig bemängelte zusammen mit allen anderen Rechtsanwälten, daß die Randfiguren zum Teil härter bestraft worden seien als der Hauptschuldige. Strafverteidiger Heinz Möller kritisierte, daß sein Mandant auch alles gesagt habe, aber dennoch nicht in den vollen Genuß des Paragraphen 31 komme, da er als kleiner Mitläufer nicht viel hätte erzählen können. Das Fazit der Verteidiger: Wer das meiste wisse, weil er am meisten Dreck am Stecken habe, werde am kräftigsten belohnt.

Zur Bedeutung des Prozesses erklärte Andre T.s Anwalt, Klaus Rüther, daß die Kripoabteilung für Organisierte Kriminalität in ihrem Vernehmungszimmer in der Gothaer Straße schon lange ein »31er Urteil« an der Wand hängen habe — mehrfach vergrößert, so daß es kein verdächtigter Dealer übersehen könne. Ob der Prozeß auf ausstiegswillige Drogenhändler tatsächlich Signalwirkung hat, wie Fätkinheuer hofft, hängt allerdings davon ab, ob Andre T. die kommenden Jahre geschützt werden kann. Ihm sollen bereits mehrere Morddrohungen gemacht worden sein. Dirk Wildt