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ÖKOINSELN IM TERROR... TOURISMUS

■ Diskussionsforum der taz zum Umweltboom im Tourismus

Diskussionsforum der taz zum Umweltboom im Tourismus

VONCHRISTELBURGHOFF

Wer hat das beste Umweltsiegel, wer ist der Erste und Beste bei der Erfindung neuer Güte-Embleme im Tourismus? So ähnlich stellt sich die Situation dar, seit die Tourismusbranche eigene Beiträge zum Umweltschutz diskutiert. Inzwischen will man saubere Strände und integrierte Tourismuskonzepte auszeichnen und sogar die Beachtung von Umweltauflagen prämieren, um dem umweltbewußten Urlauber ökologisch unbedenkliche Reiseziele zu bescheinigen.

Aber macht denn dieses Wettrennen um Umweltgütesiegel überhaupt Sinn? Und was kann es effektiv zum Umweltschutz beitragen? Dienen die Embleme den Reiseveranstaltern nicht vielmehr als billiges Alibi, um ihre Produktpalette zu diversifizieren, da man nach Jahrzehnten hemmungsloser Erschließung an eine Grenze gestoßen ist?

Mit diesem Thema veranstaltete die taz-Reiseredaktion auf der ITB erstmalig ein Diskussionsforum. Zu Wort kamen je eine VertreterIn der Reiseveranstalter, einer touristischen Beratungsfirma, des BUND, der Deutschen Gesellschaft für Umwelterziehung (DGU), der Naturfreundejugend und der ehemalige — erste und einzige — Tourismusminister der Ex-DDR. Das so unterschiedlich zusammengesetzte Podium wurde von Michael Gleich von der Zeitschrift 'Natur‘ entlang der Problematik moderiert, ob ein Gütesiegel sich tatsächlich als „Lenkungsmaßnahme“ für Veränderungen im Tourismus eignet.

Daß J.F. Engel (TUI) Gütesiegel für seine Robinson-Clubs rundweg ablehnt, ist durchaus untypisch für die Veranstalterseite. Die „Großen“ wie TUI, NUR, Hetzel und ITS erwägen die Übernahme der Blauen Flagge für saubere Strände und wollen das auch in ihren Katalogen kenntlich machen. J.F. Engel dagegen „weiß seit jeher, daß die Natur der Ast ist, auf dem wir sitzen“, und setzt auf freiwillige Umweltschutzmaßnahmen in seinen Clubs. Sein eigennütziges Engagement in Ehren. Für Dr. Scharf vom BUND sind es aber gerade die Good-will-Aktionen Einzelner und die Prämierung einzelner Projekte, die ihn am Sinn und Erfolg von Gütesiegeln zweifeln lassen. Denn es sei durchaus denkbar, daß sich in Spanien ein blitzblanker, prämierter Strand an den anderen reiht, dennoch sei die ganze Küste kaputt.

Was nützen uns Öko-Inseln im Terror... Tourismus, wie ein Versprecher aus dem Publikum die Problematik unfreiwillig auf den Begriff brachte? Sie bleiben folgenlos, wenn die freiwilligen und zufälligen Initiativen nicht in politische Entscheidungen überführt werden! So die Kurzformel für eine Veränderungsstrategie, die langfristig angelegt ist und sich an einer umfassenden Vorsorge orientiert.

Ganz anders schätzen Renate Simons von den Naturfreunden und Peter Zimmer von der Beratungsfirma Futour die Lage ein. Die Naturfreundejugend, die gemeinsam mit dem Deutschen Naturschutzring ein europaweites Gütesiegel analog dem „Umweltengel“ plant, setzt auf den Nachahmungseffekt, der von prämierten Projekten und Angeboten ausgehen soll. „Positive Anreize schaffen“, so lautet hier die Kurzformel, die ihre Praktikabilität dann beweisen soll, wenn sich die vielen Einzelinitiativen irgendwann vernetzen werden.

Gegen prämierte Vorbildlichkeit mochte eigentlich niemand etwas einwenden. Angesichts des Massencharakters des Tourismus könnten diese allerdings leicht eine Ökonischenfunktion bekommen. Qualität statt Quantität hat in diesem gesetzten Rahmen ihren Preis.Die taz-Redakteurin, Edith Kresta, mutmaßte einen neuen Elitetourismus für zahlungskräftige und ökologisch bewußte Urlauber, der aus der Ökoinselstrategie erwächst. Wenige Refugien für die Sanften und Anspruchsvollen, während der harte Tourismus weiterläuft wie bisher. „Die ganze Diskussion über den sanften Tourismus befördert eine touristische Zweiklassengesellschaft.“ Um das Problem der Massenhaftigkeit des Tourismus nicht immer unter den Tisch fallen zu lassen, müßte man auch bereit sein, über Kontingentierung der Touristenströme, Beschränkungen und Erschließungsstopp sowie Umweltabgaben zu diskutieren. Maßnahmen, die vor allem in der Verantwortung der politischen Entscheidungsträger in Bund, Ländern und Regionen lägen.

Obwohl sich DGU und BUND in der Frage der Blauen Flagge, die von der DGU vergeben wird, nicht grün sind und sich der BUND davon distanzierte, plädierten beide Vertreter für den „knüppelharten Alltagsweg“, um den Eliteeffekt zu vermeiden. Die DGU legt Wert auf die Einhaltung von EG-Richtlinien für Wasser- und Strandqualität, und der BUND macht sich stark für die Realisierung von Mindestnormen. Daß es dafür keiner neuen rechtlichen Instrumentarien bedarf, betonten sowohl Dr. Scharpf als auch Prof. Benthin, der aus seiner Amtszeit im DDR-Tourismusministerium im wesentlichen auch mit Projekten zur touristischen Erschließung der DDR konfrontiert war. Der staatliche Rahmen ist gegeben, beispielsweise im Raumordnungsplan. Es ist jedoch nötig, daß die Gemeinden den Tourismus als politische Aufgabe wahrnehmen und genau definieren, welche Ziele verfolgt werden sollen und welchen Tourismus sie wollen. Im Idealfall müßte es dabei nicht nur um Umweltverträglichkeit, sondern auch um Sozialverantwortlichkeit gehen. Aber: „Wenn es ums Eingemachte geht, dann drücken sich die Politiker vor klaren Entscheidungen. Sie wollen alles mitnehmen und es dazu noch etwas sanft haben.“ Auf die Idee, daß das eine das andere ausschließt, kommt dabei niemand.

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