„Einmaliges attraktives Angebot“

Bundesregierung preist ihre Wirtschaftspolitik an/ Treuhand soll mehr sanieren/ Mehrwertsteuer wird erhöht/ Kürzungen für Berlin möglicherweise „zeitlich gestreckt“  ■ Aus Bonn Tina Stadlmayer

Es war der Tag der großen Sprüche. Finanzminister Waigel, Wirtschaftsminister Möllemann und Arbeitsminister Blüm legten ihr „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost“ und den „Jahreswirtschaftsbericht“ vor. Möllemann bedankte sich artig bei seinen Kollegen „für die gute Zusammenarbeit“ — die JournalistInnen der Bundespressekonferenz brachen in schallendes Gelächter aus. In den vergangenen Tagen hatte der Wirtschaftsminister mit seinen Kabinettskollegen in erbittertem Clinch über die Eigentumsfrage im Osten gelegen; in Zusammenhang mit dem Subventionsabbau hatte er gar mit seinem Rücktritt gedroht.

Gestern verkündete Möllemann, dieser Tag des Gemeinschaftsauftritts dreier Minister sei „der schönste Freitag dieser Woche“. In der Eigentumsfrage bleibe es dabei: Das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ im Einigungsvertrag müsse aufgehoben werden. Waigel konterte: Mit dem Gesetzentwurf von Justizminister Kinkel sei es möglich, Investitionshemmnisse zu beseitigen, ohne das geltende Prinzip zu ändern. Dabei könne „bis an die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen“ gegangen werden. Kommenden Dienstag werde sich das Kabinett noch einmal mit der Streitfrage beschäftigen.

An diesem Tag steht auch die „Änderung des Konzeptes für die Treuhandgesellschaft“ auf der Tagesordnung des Kabinetts. Möllemann kündigte gestern an, die Treuhand müsse in Zukunft einen „stärkeren Akzent“ auf die Sanierung von Firmen legen. Mehr als bisher solle sie auch das Gespräch mit staatlichen Institutionen suchen. Hintergrund für diese Trendwende: In den letzten Monaten wurde die Kritik an der Treuhand immer lauter. Sie hatte die Schließung zahlreicher Firmen veranlaßt, ohne darauf zu achten, wie sich das auf die Regionen auswirkt. Von einem Umdenken des Wirtschaftministers kann dennoch keine Rede sein. „Ich bleibe dabei: Die beste Sanierung ist die Privatisierung“, verkündete Möllemann.

In den neuen Bundesländern gebe es nun für die Unternehmer das „einmalige attraktive Angebot“ im ersten Jahr alle Investitionen „voll abschreiben“ zu können, versuchte der Wirtschaftsminister seine Politik zu verkaufen. Damit habe die Bundesregierung eine Forderung seines SPD-Vorgängers Karl Schiller erfüllt. „Jetzt können die Pferde saufen“, spielte Möllemann auf einen Spruch des Sozis an, „ich hoffe, daß sie es auch tun.“

Finanzminister Waigel stellte das „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost“ der Bundesregierung vor. Mit 24 Milliarden will er die Wirtschaft im Osten in Gang bringen: 5 Milliarden für kommunale Investitionen; 5,5 Milliarden für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen; 5,6 Milliarden für den Verkehr; 2,2 Milliarden für den Wohnungs- und Städtebau; einige hundert Millionen jeweils für regionale Wirtschaftsförderung, Werfthilfen, Umweltschutz und die Hochschulen.

Zum 1. Juli kündigte Waigel 7,5 Prozent „befristeten Solidaritätszuschlag“ auf die Lohn- und Einkommenssteuer an. Die Mineralölsteuer werde um bis zu 25 Pfennige pro Liter erhöht. Ab 1992 sollen auch die Mehrwert- und die Tabaksteuer angehoben werden. Das Wegfallen der Berlinförderung sei beschlossene Sache; Waigel kündigte jedoch an, man werde darüber noch einmal mit dem Berliner Senat reden. Die Berliner hatten geklagt, am 1. Juli würden sie auf einen Schlag doppelt belastet: durch die Erhöhung der Lohnsteuer und den Wegfall ihrer Zulage. Möglicherweise, so Waigel, lasse sich das Sparpaket für Berlin „zeitlich noch etwas strecken“.

Den ersten Preis fürs Sprücheklopfen erhielt gestern erwartungsgemäß Arbeitsminister Blüm: „Das Geld ist da, die Arbeit ist auch da, die Arbeitsuchenden sind leider Gottes auch da, jetzt müssen wir das alles zusammenbringen“, präsentierte er sein Programm für die Zukunft. Es stehe unter dem Motto: „Vor Ort — sofort“. Blüm kündigte an, noch in diesem Jahr werde es 278.000 neue ABM-Plätze geben. Er wolle außerdem 500.000 Fort- und Umschulungsmaßnahmen in den neuen Bundesländern schaffen. Denn: „Hinter den abstrakten Arbeitslosenzahlen stehen menschliche Schicksale.“

Die SPD kritisierte gestern pflichtgemäß das „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost“ der Bundesregierung als „kleinmütig und zu gering dimensioniert“. Ingrid Matthäus-Maier erklärte das Steuererhöhungspaket Waigels für „sozial unausgewogen und ungerecht“.