Morslebener Roulette

■ Atomklo soll weiter spülen/ Gutachter sehen trotz Mängeln keine „akute Gefahr“

Berlin (taz) — Eingelagert wird im Augenblick kein Atommüll mehr — verboten hat es das Verwaltungsgericht Magdeburg. Aber erhalten möchte Bundesumweltminister Klaus Töpfer sein einziges Endlager mit jetzt rund 15.000 Kubikmetern Atommüll schon. Denn Töpfer hält am Atomkurs fest, die Pläne für neue Atomkraftwerke nehmen immer konkretere Formen an. Für ein solches Endlager braucht der Minister allerdings eine wissenschaftliche Unbedenklichkeitsbescheinigung. Töpfer hatte die Gesellschaft für Reaktorsicherheit damit beauftragt. Und die ist zum erhofften Ergebnis gekommen: In Morsleben geht vom Atomklo keine „akute Gefahr“ aus. Aus Sicherheitsgründen könnte das Endlager weiterbetrieben werden.

Die Gutachter haben sich ganz schön strecken müssen für ihr Gesamturteil. So monieren sie die völlig unzureichende Brandsicherung im Endlager sowie die steinzeitliche Einlagerungstechnik. Mittelradioaktiver Müll wurde bis vor kurzem einfach in unzugängliche Stollen, atomare Plumpsklos, gekippt.

Eine vernünftige geologische Standortbewertung hat es für das Gutachten, das den Weiterbetrieb empfiehlt, offenbar gar nicht gegeben. Dabei muß das Endlager nach geltendem Atomrecht mindestens zehntausend Jahre sicher sein. Töpfer selbst kündigte in Bonn an, ein solches geotechnisches Gutachten für die nächsten zwei Jahre in Auftrag zu geben. Außerdem will er ein Gutachten der Reaktorsicherheitskommission im Mai abwarten. Dannach will der Minister vielleicht wieder einlagern. Christian Sailer vom Darmstädter Öko-Institut nennt die Töpfer-Entscheidung „schlichtweg unverantwortlich“. Der Minister unterlaufe das Atomrecht.

Auch den Gutachtern war nicht ganz wohl: Sie kritisierten das fehlende Konzept für die „gebirgsmechanische Stabilität“. Den seit achtzig Jahren anhaltenden Fluß von Salzlaugen in die Atommüllschächte spielen sie dagegen herunter. Er habe bisher nicht zugenommen, wieso sollte er jetzt. Für den Fall, daß plötzlich mehr Lauge eintritt, bieten die Forscher auch keine Lösung. Während Töpfer in Bonn die Suche nach neuen Atommüll-Zwischenlagern ankündigte, wollen am Samstag AtomkraftgegnerInnen aus den neuen und den alten Bundesländern in Morsleben dem letzten deutschen Endlager endgültig den Garaus machen. Mindestens fünftausend DemonstrantInnen erwarten die Veranstalter vor dem Atomklo direkt an der ehemaligen Grenzübergangsstelle Helmstedt. ten