Frauen sind die Verliererinnen der Einheit

■ DGB: Arbeitslosigkeit, fehlende Kindergartenplätze, Paragraph 218 — »Die soziale Einheit ist nur eine dünne Bleistiftzeichnung«

Berlin. Selbstverständlich sind die Frauen Verliererinnen der deutschen Einheit, Opfer der Kahlschlagsanierung und der restaurativen Familienpolitik. Vor allem im Osten. Schließlich waren es ja vier prominente SPD-Frauen, die bei einer Gewerkschaftsveranstaltung zum Internationalen Frauentag die Frage »Sind die Frauen die Verliererinnen der Vereinigung Deutschlands?« diskutiert haben.

Entweder, so stellten übereinstimmend Christiane Bergmann, Senatorin für Arbeit und Soziales, Ursula Engele-Kefer, Stellvertretende DGB-Vorsitzende, Eva Kunz, Gleichstellungsbeauftragte beim Landtag in Brandenburg, und Jutta Limbach, Senatorin für Justiz, fest, verlieren sie ihren Arbeitsplatz im Zuge der großen Kündigungswellen, oder sie müssen gehen, weil Beruf und Familie nicht mehr miteinander vereinbar sind. Die Betriebskindergärten werden geschlossen, oder die Kitaplätze sind zu teuer für die Ostmickerlöhne. Im Westen werden die Ostfrauen bevorzugt auf Teilzeitjobs unterhalb der Sozialversicherungsgrenze abgeschoben, Renteneinbußen im großen Stil sind zu erwarten. Von den Umschulungsmaßnahmen und ABM-Programmen profitieren sie kaum. Obendrein droht ihnen jetzt auch der bundesdeutsche restriktive Paragraph 218, und die alltägliche Gewalt auf den Straßen führt dazu, daß die Frauen sich außer Haus nicht mehr sicher fühlen. Dieses ganze Greuelpaket führt jetzt in ein gesellschaftspolitisches Aus und persönlich in eine abgrundtiefe Resignation, stellten die Frauenexpertinnen bei ihrer »Talkshow« am Sonnabend übereinstimmend fest.

Die Frauen in der alten DDR »definierten sich über ihre Arbeit«, sagte Bergmann, »ihr Selbstbewußtsein basierte auf ihrer ökonomischen Unabhängigkeit«, und die gehe jetzt verloren. Sie kannten nur »einen literarischen Feminismus«, ergänzte Limbach, die Erfahrung »aus zweiter Hand zu leben«, sei es vom Ehemann, Arbeits- oder Sozialamt, »ist für sie bitter und neu«. Die soziale Einheit Deutschlands sei nicht mehr als »eine dünne Bleistiftzeichnung«, meinte Engelen-Kefer, und Eva Kunz konstatierte, daß die Frauen ihr Leid versuchen individuell zu lösen anstatt kollektiv. »Sie kämpfen nicht genug für ihre Rechte«, sagte sie und hofft auf eine Zeit, in der die Frauen aufstehen, weil sie sich mit dieser Verliererinnenrolle nicht mehr abfinden wollen.

All das ist wahr und wichtig, immer wieder festzustellen. Die interessante Frage aber, warum die Frauen sich nicht wehren können und wollen, wurde nicht beantwortet und von den durchweg gewerkschaftlich organisierten Zuhörerinnen auch nicht eingefordert. So blieb unthematisiert, was viele denken und nur am Rande der Veranstaltung ausgesprochen haben: Die normalen Ostfrauen sind überhaupt nicht selbständig, sagte eine Vertrauensfrau eines Nahrungsmittelbetriebes, »im Gegenteil, sie sind devot, und ihr politisches Engagement ist eine einzige Entäuschung.« »Es kann mich wahnsinnig machen«, sagte eine andere, daß »seit die Ostfrauen bei den Personalratswahlen mitwählen dürfen, nur noch Männer ans Ruder kommen«. Und umgekehrt, die Ostfrauen haben überhaupt kein Verständnis für das »feministische Gequatsche« der scheinbar privilegierten Westkolleginnen.

Vielleicht wären diese Enttäuschungen voneinander, die sich teils bis zur Ablehnung gewendet haben, ein Thema zum Internationalen Frauentag gewesen. Dann hätten auch die rockigen Chansons der Ostberliner Sängerin Gerlinde Kempendorff mehr als nur Vorprogramm sein können: 28 Jahre lang, sagte sie, stand die Mauer, »und es wird vielleicht genausoviel Jahrzehnte dauern, bis die Trennung wirklich vorbei ist«. Auch zwischen den Frauen. Anita Kugler