BERLINER PLATTENTIPS
: Empfängnishilfe

■ »Celebrating The Eggman — A Tribute to John Lennon« — ein Ost-Sampler

Da haben einige Bands im Osten ihre (Um)Schularbeiten nicht gemacht. Das Celebrating The Eggmann — A Tribute to John Lennon-Album verweigert sich im Schatten des übergroßen Popverweigerers Lennon der neuen deutschen Freude, Innerlichkeit und Ehrlichkeit, die zum Beispiel Matthias Reim treudoof genug war, hitparadentauglich als Durchhalteliebesbekenntnis für sein Coming-out im Westen zu nutzen: »Verdammt, ich lieb' Dich« — nicht.

Statt dessen nehmen die 13 hier versammelten Bands aus der ursprünglich Deutschen Demokratischen Republik den größtmöglichen Abstand von einer Leistungsschau, in der sie beweisen könnten, wie gut sich mit eben ergattertem Weststudiohightech brav musizieren ließe. Vielmehr entstehen in den einzelnen Coverversionen von Help bis Isolation Teile der von Lennon selbst gesuchten Zusammenhänge wieder. Schüchternes Denken und malerische Kargheit überwiegen wie in den Originalkompositionen und sind erst mit der Zeit langnesehonigsüß unter Ornamenten von Orchestern und Synthiegebläsen verschüttet worden, die diese Bands trotz Tribut vermeiden.

Mit der Auswahl der Stücke beweisen die Musiker zudem, wie das Bild, das hier vom Geist von drüben angekommen ist, dort so nicht abgeschickt wurde. Kein Ansatz von schwer in den 70er Jahren versackten, singenden Kirchchorkränzchen, kein protestantisch versülztes Imagine oder friedenstrübes Give Peace a Chance kommt den Versammelten über die Lippen. Cold Turkey, dessen sich die Gruppe »Ich-Funktion« annimmt, dröhnt solange unterschwellig metallisch und verschwitzt, bis das Junkieklischee, King Heroin, als König Alkohol auf den Boden der Tatbestände zurückfindet. Auch »Herbst in Peking« machen ihre eigenen Gedanken zum Inhalt des von ihnen herausfordernd interpretierten Working Class Hero. Nicht im stilisierten Lennonschen Chic, seinem Sozialismuskult als Boutiquenprodukt von der Carnaby Street, seinem »Was kostet einmal Mao-Sein?« — für »Hip« ist der Held der Arbeit in seiner eigenartigen Verschiebung zum Helden der Arbeiterklasse etwas Ideelles, »something to be«. Dort ist kein Platz für schaurig dahingeklimperte Akustikgitarre und bardische Gebärden, nicht einmal ein bißchen Biermann. Auf einmal klingt es nach Glamrock, proletarisch, echt.

In anderen Genres widmet man sich humorigen Lennon-Auslegungen. So muß es den Herren von »DEKA dance« einen Freudsspaß gemacht haben, in der Textzeile »come on listen to me« ein »Kommunisten«, nur ein Wort lang wiedergefunden zu haben. Whatever gets you thru the night war auch im Original sehr fröhlich. Selbst Versionen der surreal versponnenen Kifferstücke aus der Sgt.-Pepper- Phase werden wie selbstverständlich von den eher experimentellen Gruppen weitergesponnen. Das Lucy in the Sky with Diamonds das »Der Expander des Fortschritts« beigesteuert hat, ist darin null psychedelisch und trotzdem durchgedreht. Es britzelt obskur zwischen leiernder Drehorgel und blubbernder Unterwasserelektronik. »AG Geige« erreichen mit einem Gebräu aus Neuer Musik, Computer und Dada eine solche Entstellung mit Come together, so daß dem allerorts lässig eingeworfenen Wort vom globalen Dorf, in dem Schwarz/Weiß für eine Zigarettenlänge zusammenkommen können, eine irritierend fremde Darstellung entgegengehalten wird. Mit Stimmen wie von einem anderen Planeten klingt das Zusammenkommen drohend als Befehl zur Ausführung der Freizeit an. »Feeling B« schließlich modeln Revolution um. Deutscher Text, Novemberchöre und so weiter, eingekleidet in eine lärmende Punkcollage. Mittendrin taucht der gefeierte Eggman ostdeutsch reinkarniert auf. »Wir sind die Eierköpfe, wir sind Arschlöcher.« Das ist dem sarkastischen Selbstverständnis von John Lennon am nächsten, gleichfalls aber auch Programm des Albums, selbst wenn neben die scharfzüngigen Variationen eine Reihe balladenhaft-elegische Interpretaionen gestellt sind: I'm losing you von »Die Art« mit mexikanischen Trompetenklängen reichhaltig bebildert, I'm so tired von »Kashmir« in Ziggy-Stardust-Manier gleich David Bowie mitwürdigend, oder das schwer zu bewerkstelligende Isolation von »Kampanelle is Abstract feat. Svea« wie ein schöngeistiger Blues.

Celebrating The Eggmann stellt vor allem Eigenständigkeit heraus, gegen die sich westkulturell nicht so leicht wird gegenabwickeln lassen. Dafür stehen noch so disparate Eigenbrötler und Garagenzöglinge manifest ein. Harald Fricke

Celebrating The Eggmann — A tribute to John Lennon (Zong/ Deutsche Schallplatten GmbH, Berlin)