Der lange Weg zum Tor

■ Fußball-Zweitligist Blau-Weiß 90 spielt gegen Preußen Münster nur 1:1 und läßt die letzten Hoffnungen darauf schwinden, daß Berlins Fußball erstklassig bleibt

Berlin. Eigentlich ist es jetzt schon sicher, daß in Berlin in der kommenden Saison wieder nur Zweitliga- Fußball geboten werden wird. Denn Blau-Weiß 90 kommt nach der Winterpause nicht genügend in Spiellaune, um zu gewinnen.

Gegen den Abstiegskandidaten Preußen Münster reichte es wieder nur zu einem 1:1, ebenso wie am Dienstag im Spitzenspiel gegen die Stuttgarter Kickers. So hatte Trainer »Horschtle« Ehrmanntraut auch recht viele Gründe, gnatzig dreinzuschauen. Sechs Punkte Rückstand haben die Berliner nun zum Relegationsplatz, damit ist das Thema Aufstieg wohl erledigt.

Sie mühten sich redlich, die Blau- Weißen, nur waren zwei Dinge sehr deutlich zu merken: Drei Spiele in einer Woche ließen die sie in der zweiten Halbzeit arg schlapp werden und hemmten von Beginn an die bisher gewohnten Fähigkeiten zum guten Spielaufbau. Zwar stürmten sie brav drauflos, doch ohne die rechte Koordination. So fiel es den mit der gewohnten Mauertaktik antretenden Müsteranern gar nicht schwer, das wie üblich bei Auswärtsspielen angestrebte Unentschieden zu halten. Einzig Adler und Deffke durften sich mit Kopfbällen versuchen, trafen aber zielgenau über die Latte oder wahlweise Torwart Johannemanns lange Tentakel-Arme.

Nach alter Fußballer-Weisheit wird solcherart Schludrigkeit natürlich prompt bestraft. So konnten Münsters Edelmann nach mißglücktem Berliner Abspiel im Mittelfeld ganz alleine mit dem Ball losflitzen, Libero Drabow und Torwart Gehrke auswackeln, um den Ball letztlich dem Kollegen Brinkmann an den Elfmeterpunkt zu passen, von wo es ein leichtes war, mit der Pike ins Leere Tor zu bolzen.

So sank also die Stimmung unter den wieder nur 1.581 Besuchern im Jahn-Sportpark noch mehr, bis Sekunden vor der Halbzeit doch noch ein geglückter Moment zu bejubeln war. Mittelstürmer Adler war zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten getreten worden; beim ersten Mal gab's Geld, diesmal, weil Tatort Strafraum, Elfmeter. Den semmelte Schlummberger zum Ausgleich ins Netz und nährte Hoffnung für die zweite Halbzeit.

Doch, wie gesagt, den Blau-Weißen wurden die Beine immer schwerer, so schwer, daß schließlich Pässe über mehr als fünf Meter außerhalb des Möglichen lagen und der Weg zum Münsteraner Tor so unendlich weit schien. Den Gästen blieb das nicht verborgen, und so tauchten sie ganz mutig immer öfter vor Torhüter Gehrke auf, schossen einige Male hinterlistig, um sich schließlich gegen Ende der Begegnung nur noch der hohen Kunst der Zeitverzögerung zu widmen.

Am perfektesten beherrschten sie dabei die beliebte Variante der Wehleidigkeit, wie Verteidiger Silberbach, der sich, nach einem Schubserchen hingefallen, minutenlang den Oberschenkel hielt, zweimal humpelte, um endlich, wundersam geheilt, einen Sprint gegen Deffke mit einem wüsten Foul abzuschließen. Münsters Trainer Gerd Roggensack grinste pausenlos spitzbübisch ob des unverhofften Punktes, »Horschtle« dagegen maulte mit trotziger Miene: »Dann holen wir uns den Punkt eben in Oldenburg wieder.« Basta!

Ach ja, die Blau-Weißen haben übrigens einen neuen Angestellten. Peter Stubbe heißt er, hat mal bei TeBe gespielt und 26 Jahre im Ausland gelebt, ist einigermaßen informiert, weil er »einige Spiele der Bundesliga-B gesehen« hat, und wird nun »Chef für Organisation und Finanzen«=Manager.

Demütig erklärte er gleich, was er alles nicht machen darf, soll, will und wem er treulich dienen möchte. Hauptsächlich soll er aber Geld, Geld, Geld besorgen, denn dieses fehlt den Blau-Weißen überall. Zwar spart der Verein durch den Umzug in den Jahn-Sportpark bis zum Saisonende rund 100.000 Mark, aber den potentiellen Besuchern gefällt der neue Spielort wohl auch nicht besser als das trostlose Olympiastadion. Warum auch. Schmiernick