DU UND DEINE SCHULDEN
: Die Schuldentabelle

■ Endlich: Nürnberg und Hamburg sind Spitze!

Da staunt der Laie: Neuer Spitzenreiter der Fußballbundesliga ist Nürnberg, dicht gefolgt vom Hamburger Sport-Verein und St. Pauli. Nur leider nicht auf sportlicher Ebene. Es geht um Greuslicheres: Schulden.

Ein Blick auf die Fußballbundesliga in ihrem 28. Jahr offenbart eine Zweiklassengesellschaft. Nach einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ('dpa‘) liegt auf acht Klubs eine Schuldenlast von über 54 Millionen Mark — eine Schuldenverdoppelung gegenüber der vergangenen zehn Jahren. Immerhin kommen zehn Klubs ohne nennenswerte Kredite aus. Beim Schuldentabellen-Erster Nürnberg hingegen fehlen 13,5 Millionen, dem HSV 10 und Liebling St. Pauli 7,5. Dieses Sanierungstrio allein produziert durch dauerhafte Mißwirtschaft über die Hälfte der Schulden. Auch der Stuttgart, Frankfurt, Bochum (je etwa 6 Millionen) sowie Karlsruhe (3,3) prassen schön mit. Achter im Schuldnerbunde ist Hertha Berlin, die mit rund zwei Millionen in der Kreide steht.

Trotz der wirtschaftlichen Schieflagen schreckt das einst gefürchtete Lizenzierungsverfahren des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) keinen mehr. Weniger Klubs als je zuvor mußten die Standardunterlagen für den „Wirtschafts-TÜV“ Anfang März einreichen. Krisenvereine müssen zwar mit strengen Auflagen rechnen, doch die Schuldenhöhe spielt laut DFB-Ligasekretär Wilfried Straub keine gravierende Rolle. „Entscheidend ist, daß die Vereine wissen, wie sie die Zinsen aufbringen können.“

Er dementierte Meldungen, wonach die Einbeziehung der minderbemittelten ostdeutschen Klubs in den Profifußball dazu führen wird, daß die Finanzrichter die Zügel lockerer halten. Grundsätzlich sollen die gleichen Beurteilungskriterien für alle gelten.

Auf der finanziellen Sonnenseite stehen mit Bayern München und Werder Bremen Vereine, die über die professionellste Führungsstruktur mit Topmanagern Uli Hoeneß und Willi Lemke verfügen. Auch Zuschauerkrösus Borussia Dortmund schreibt laut Präsident Gerd Niebaum schwarze Zahlen. Beim 1. FC Kaiserslautern, der zwar zwei Millionen Mark Verbindlichkeiten aufweist, jedoch auf der Habenseite 46 Millionen Mark für das vereinseigene Fritz-Walter-Stadion verbuchen kann, floriert das Geschäft. Der 1. FC Köln bunkert den größten Teil der 15,5 Millionen Mark aus dem Verkauf von Thomas Häßler noch auf der Bank. Die letzte Bilanz der Kölner wies allerdings zugleich langfristige Verbindlichkeiten von 7,3 Millionen Mark aus.

Bei den vom Chemiekonzern Bayer gesponsorten Klubs aus Leverkusen und Uerdingen sowie der SG Wattenscheid 09, wo der Textilunternehmer Klaus Steilmann abdrückt, ist der Begriff „Schulden“ ein Fremdwort. Auch Fortuna Düsseldorf ist schuldenfrei, seitdem vor drei Jahren das Klubheim verkauft wurde. Doch hat der Verein, wie auch Borussia Mönchengladbach, „zum Sterben zu viel, aber zum Leben zu wenig“ (Schatzmeister Werner Faßbender).

In ihrer Not machen sich die Vereine oft von Mäzenen abhängig, statt branchenkundige Experten einzukaufen. So hofft der 1. FC Nürnberg auf dem Schwabacher Unternehmer Gerhard Junge, der als Sponsor mit dem „Club“ einen vierjährigen Werbevertrag über drei Millionen Mark abschloß und Spielerverpflichtungen (Dorfner, Eckstein, Zarate) für über fünf Millionen Mark ermöglichte.

Auch der FC St. Pauli kann ohne Präsident Heinz Weisener, der für 6,5 Millionen bürgt, nicht überleben. Beim HSV versucht es Präsident Jürgen Hunke mit einem Aktienmodells, das 36 Millionen Mark bringen soll. Daß die Liga nicht kollabiert, liegt hauptsächlich an zwei Dingen: Eine Kapitalzufuhr von rund 60 Millionen Mark aus dem Einkaufsland Italien und eine Verdoppelung der Fernsehgage seit 1987 auf 50 Millionen Mark. Also: Einschalten, Leute! Bernd Müller (dpa/taz)