: Neue Gesetze für den Atomstaat
■ AtomkraftgegnerInnen wollen Töpfers einziges Endlager Morsleben endgültig stillegen
Neue Gesetze für den Atomstaat AtomkraftgegnerInnen wollen Töpfers einziges Endlager Morsleben endgültig stillegen
Minister Töpfer kämpft mit Tricks uns Schlichen um sein einziges Atomklo. Nach der Vereinigung im Herbst 1990 hatte sich der Minister erstmals im Besitz eines zugelassenen Endlagers gewähnt. Doch die AtomkraftgegnerInnen waren dem Minister hart auf den Fersen. Nicht nur wählte die Öko-Opposition schon vor Monaten mit feinem Gespür für die politischen Schwachstellen der Atomwirtschaft Morsleben zum Schwerpunkt. Sie erreichte auch beim Magdeburger Verwaltungsgericht einen vorläufigen Einlagerungsstop am Atomklo in Sachsen-Anhalt.
Der enttäuschte Minister gibt die Anlage nicht verloren. Am Wochenende noch erteilte er der alten Salzmine am ehemaligen deutsch-deutschen Grenzzaun demonstrativ seinen Segen. Anlaß war das Gutachten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit. Tenor des Gutachtens: Keine „akute Gefahr“ am Atomklo. Töpfer macht sich dieses Urteil zu eigen. Damit fällt er hinter die selbstgesteckten Ziele seines Ministeriums zurück. 1986 bekam dieses bei seiner Gründung auch den Auftrag, außer polizeilicher Risikovorsorge „vorausschauend der Gestaltung unserer zukünftigen Umwelt zu dienen“.
Politiker enttäuschen häufig die von ihnen geweckten Erwartungen. Doch der Minister fällt mit dem Begriff des „akut Ungefährlichen“ auch hinter das geltende Atomrecht zurück. Danach muß ein Atommüllendlager sein strahlendes Inventar für mindestens 10.000 Jahre — 300 Generationen — sicher einschließen. Akute Ungefährlichkeit kennt das Atomrecht nicht. Der Begriff verschleiert vielmehr die latente Gefährlichkeit des Atomklos in den nächsten Jahrzehnten, Jahrhunderten, Jahrtausenden.
Töpfers Motive sind durchschaubar. Die Atomindustrie bereitet eine Offensive vor. Neue AKWs tauchen erstmals seit 15 Jahren als Schemen am östlichen Horizont auf. So kommen Proteste und Widerstand gegen Atommüllendlager denkbar ungelegen. Denn ohne Lösung des Müllproblems werden die AKWs Schemen bleiben — das wissen Minister und Industrie. Also muß ein Atomklo her — um jeden Preis. Das geplante neue Atomgesetz mit seinen obrigkeitsstaatlichen Einschränkungen der Länderregierungen und seiner Verschlechterung des Rechtsschutzes für die Bürger ist der erste Schritt. In Morsleben will Töpfer noch weiter gehen. Der Bundestag soll auf die Schnelle ausbügeln, was die Bürokraten im deutsch-deutschen Einigungsprozeß verschlampt haben: Töpfers Bundesamt für Strahlenschutz soll mit einem Sondergesetz zum Betreiber des Endlagers gemacht werden. Alle warnen vor dem Atomstaat — der Umweltminister verwirklicht ihn. Hermann-Josef Tenhagen
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