INTERVIEW
: „Nichts anderes als ein Militärputsch“

■ Gordan Jovanovic, Redakteur beim unabhängigen Belgrader Sender „Studio B“, über die Fehler der serbischen Opposition und die Eigennützigkeit in den Republiken

Gordan Jovanovic machte 1981 erstmals Erfahrungen mit der Polizei, als er sich mit einem Schild in die Belgrader Innenstadt gesetzt hatte, auf dem stand: „Lang lebe die Solidarność“. Jaruzelski hatte gerade seinen Militärputsch in Polen vollzogen, und Jugoslawien stellte sich hinter den polnischen General. Seitdem saß Jovanovic mehrmals wegen kritischer Äußerungen und Zeitungstexten hinter Gittern. Seit Samstag nacht ist „Studio B“ von Militär besetzt.

Jovanovic: Was sich hier abspielt, das ist nichts anderes als ein Militärputsch. Und wenn man einen Putsch vorbereiten will, dann muß man erst einmal die Presse und die Opposition ausschalten. Das ist jetzt im Gange.

taz: Welche Fehler hat die serbische Opposition gemacht, daß es so weit kommen konnte?

Da müßte man weit ausholen. Denn von Demokratie ist in Jugoslawien weit und breit nichts zu sehen. Selbst die, die sich Demokraten nennen, haben nur ihr eigenes Volk im Auge. Es wundert mich nicht, daß kein Kroate in Zagreb auf die Straße geht und gegen die Militäraktion in Belgrad protestiert. Umgekehrt demonstrierte ja auch niemand in Belgrad gegen die Drohgebärden, die das Militär seit Wochen gegenüber Kroatien und Slowenien zeigt, nur weil die aus dem untergehenden Schiff Jugoslawien aussteigen wollen. Die fehlende Solidarität erleichtert den Militärs ihr Kriegsspiel. Die Armee hat schon längst bei allem, was politisch geschieht, ihre Finger mit im Spiel.

Auch bei den blutigen Unruhen jetzt in Belgrad?

Es waren mit Sicherheit Provokateure in den Reihen der Demonstranten. Aber das wundert mich nicht: Die Demokratie muß hier erst einmal erlernt werden, und wenn die Protagonisten des alten Regimes dies verhindern wollen, dann haben sie dazu alle Mittel in der Hand. Denn warum gewann Milosevic? Nicht, weil die Menschen in ihm einen Demokraten sahen, sondern eher einen „Feldherrn“, der Serbien wieder zu seiner „historischen Blüte“ erwecken würde, der den Kroaten und den anderen jugoslawischen Völkern zeigt, wo's langgeht. Mit diesem Programm gewann er, und die Opposition hatte dem nichts entgegenzusetzen. Ihre Demokratievorstellungen waren zu schwammig.

Mehrmals in der jüngsten Vergangenheit ging die Armee gegen Demonstranten vor. Erinnert sei an Kosovo und an die Kleinstadt Pakrac vor einer Woche. Zeigt der Vorfall in Belgrad eine neue Qualität?

Auf jeden Fall. Denn Milosevic und die Armee zeigen nun, daß sie nicht „serbisch-nationalistisch“ sind und nur andere Völker im Griff halten wollen. Jetzt prahlen die Generäle: Seht nur, wir gehen auch gegen „serbische Hooligans“ vor, wir gehen gegen jeden „Hooligan“ vor, egal welcher Nationalität. Ich glaube, die Zeit ist nicht mehr weit, da wird Zagreb wie Belgrad eine okkupierte Stadt sein. Der Rundfunk meldet schon, daß die serbische Minderheit in Kroatien das Eingreifen der Armee in Belgrad ausdrücklich begrüßt.