Halle — Wilder Westen?

Die Stadt scheint Dilettanten und Gauner anzuziehen  ■ Von Hagen Wangemann

Halle. Die Boulevardpresse reibt sich die Hände, und selbst Journalisten werden zu rasenden Reportern, wenn in Halle wieder einmal die Skandalglocke läutet. So häufig wie die größte Stadt Sachsen-Anhalts stand im Osten Deutschlands seit der Einigung kaum ein anderer Ort in den Kriminalitäts-Schlagzeilen. Hier wird geschachert und gelogen wie „im Wilden Osten“, stellte ein hallesches Kabarett fest und machte daraus sein neuestes Programm. Vor allem zur Zeit der Währungsumstellung muß Halle ein Eldorado für zwielichtige Gestalten gewesen sein. Analysiert man die bisher aufgedeckten Skandale, so ist der Ursprung zumeist in der Phase des Gesetzesvakuums Mitte vergangenen Jahres zu finden. Den jüngsten Aufschrei lösten die erst vor wenigen Tagen enthüllten unsauberen Kreditgeschäfte der städtischen Sparkasse aus. Da wurde die im Sommer 1990 gerade erst gewonnene D-Mark gleich an die erstbesten „Wessis" ohne Ansehen der Person verscherbelt. Daß diese nun die Kredite in Millionenhöhe nicht zurückzahlen können, fördert nicht gerade das Vertrauen zum Finanzunternehmen.

Was sich im Rathaus Halles abspielte, würde Stoff für einen Krimi bieten. Da regierte ein gebürtiger Österreicher wochenlang im Finanzdezernat der Stadt, bis ihm eine Dienstreise in den Westen zum Verhängnis wurde und er wegen früherer Betrugsdelikte an zwei deutschen Firmen hinter Gittern landete. Obendrein hatte sich der 34jährige Gerhard Starrermayr extra für seine Einbürgerung in die damalige DDR noch mit einem selbst ernannten Doktortitel „geschmückt“.

Ein 27jähriger Newcomer aus Hildesheim, Dirk Bettels, ließ als Kanzleichef des Magistrats keinen Zweifel an seiner Machtstellung im Rathaus zu und hielt auch außerhalb des Regierungssitzes alle Fäden in der Hand. Mit Stühlen in mehreren Aufsichtsräten konnte er in der Wirtschaft der Stadt nach Belieben schalten und walten und dabei seinen Freundeskreis aus Niedersachsen kräftig mit beteiligen. An seiner Seite wußte Bettels einen durch Stasianschuldigungen stets geschwächten Oberbürgermeister Peter Renger.

Nachdem nun beide ihren Hut nehmen mußten, ist die Stadt seit fast einem Monat „führungslos“. Journalisten meinen, Halle sei durch die „Schlammschlacht“ um Affären beim demokratischen Neuaufbau weit hinter anderen ostdeutschen Städten zurückgeblieben.

Halle, die Stadt im Westen der neuen Bundesländer, hat sich einen Namen gemacht mit Skandalen um Personen und deren Machenschaften, Stasiofferten und nicht zuletzt bei der Kaufmann-Affäre um den PDS-Millionentransfer. adn