Europa drängelt um die Slots in Berlin

■ Heiß umkämpfte An- und Abflugzeiten bei lukrativen Strecken/ British Airways steht bereits in den Startlöchern/ Mit einem Kabinettstückchen gelang es der kleinen Fluggesellschaft Aero Lloyd, kräftig mitzumischen/ Harte Konkurrenz für die Lufthansa

Frankfurt/Berlin. Der ungebrochene Drang von Fluglinien nach Berlin dürfte dem Bonner Verkehrsministerium in Kürze einige Nüsse zu knacken aufgeben. Nachdem von der ehemaligen DDR-Gesellschaft Interflug günstigstenfalls ein Charterflieger übrigbleibt und die Lufthansa die PanAm-Flüge in die Hauptstadt gekauft hat, stehen weitere Unternehmen bereit, um den nach dem Golfkrieg wieder ungebrochenen Andrang »abzufliegen«.

British Airways will in Berlin eine deutsche Tochter gründen. Aero Lloyd will mitmischen, und EuroBerlin, das gemeinsame Kind von Lufthansa und Air France, soll, wie berichtet, eine »europäische« Fluggesellschaft werden.

Die interessanten An- und Abflugzeiten, die sogenannten Slots, sind in Berlin und den anderen Großstädten heftig umkämpft. Der im Liniengeschäft eher kleinen Aero Lloyd ist nach eigenen Angaben im vergangenen Herbst ein Kabinettstückchen geglückt: Als die Lufthansa 150 Millionen Mark für den Anteil der PanAm am Berlin-Flugverkehr hinblätterte, nahm sie nach Angaben von Aero-Lloyd-Sprecher Ronald Schmid als selbstverständlich an, daß ihr auch automatisch die An- und Abflugzeiten der amerikanischen Linie übertragen wurden.

Nach Intervention von Aero Lloyd beim Kartellamt mußte sie der kleineren Linie aber ein Stück aus dem Kuchen abgeben.

Aero Lloyd verhandelte nicht über Slots

Als die Lufthansa dafür Geld haben wollte, machte Aero Lloyd erfolgreich geltend, daß es in Deutschland offiziell nicht möglich sei, An- und Abflugzeiten zu handeln. Folgt man der Darstellung Schmids, so hat die Lufthansa also diese Zeiten von Pan Am gewissermaßen auf dem grauen Markt gekauft, nur um sie dann kostenlos der ungeliebten Inlandskonkurrenz überlassen zu müssen.

Schmid sagte, eine vergleichbare Situation stelle sich möglicherweise schon bald bei der in Gründung befindlichen Tochtergesellschaft von British Airways. Die Frage sei, ob diese Anspruch auf die Zeiten habe, die die »werdende Mutter« jetzt in Tegel hält. »Ich war schon beim Flugplankoordinator«, um die möglichen Ansprüche anzumelden, sagte Schmid.

An der neuen Gesellschaft sollen inoffiziellen Informationen zufolge Beteiligungsgesellschaften der Commerzbank, der Berliner Bank und der Bayerischen Vereinsbank zusammen 51 Prozent halten. Die britische Mutter legt nur 49 Prozent in die Wiege, weil nach dem Luftverkehrsgesetz eine deutsche Fluglinie mehrheitlich in deutscher Hand sein muß.

Mit dieser neuen Gesellschaft kommt eine weitere Linie auf den deutschen Markt, deren Kostenstrukturen der Lufthansa durchaus gefährlich werden könnten. Die Tarifgestaltung bei der Traditionslinie mit dem Kranich am Heck erschwert nach Ansicht der Arbeitgeberseite einen kostengünstigen Flugbetrieb. Deshalb hat der Lufthansa-Konzern jüngst eine Betriebsgesellschaft für die Condor-Charterflotte unter dem Namen Südflug reaktiviert, deren fliegendes Personal deutlich weniger verdient als das der Muttergesellschaft. Aber auch bei dieser haben etwa die Piloten auf einen Teil der ihnen zustehenden tariflichen Leistungen verzichtet, um den neu hinzugekommenen Berlinverkehr zu ermöglichen. Die British-Airways-Tochter soll nun à la Südflug strukturiert werden.

Dasselbe gilt auch für die einst von Air France mit 51 und Lufthansa mit 49 Prozent gegründete EuroBerlin France. Auch hier könnten sich nach dem Wegfall der alliierten Berlin- Regelungen die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Lufthansa verschieben.

Bei neuen Strecken »werden die Karten neu gemischt«

Lufthansa-Vorstandsvorsitzender Heinz Ruhnau hat sich bisher nicht deutlich über die Zukunft und die Struktur von EuroBerlin geäußert, deren geleaste Jets von ebenfalls geleastem, britischem Personal geflogen werden. Ruhnau sagte lediglich, es solle eine »europäische« Fluggesellschaft werden.

Die britische Linie wollte zu der anstehenden Slot-Lotterie nicht Stellung nehmen, da die neue Gesellschaft noch nicht gegründet sei. Der Sprecher von British Airways in Frankfurt, Bernd Wietfeld, sagte: »Wer uns Konkurrenz machen will, der soll doch erst mal sagen, von welchen Strecken er redet.«

Er könne sich kaum vorstellen, daß eine andere Fluglinie etwa beabsichtige, mit British Airways zwischen Berlin und Münster/Osnabrück, einer aus dem Besatzungsstatus überlebenden Traditionsstrecke, die Säbel zu kreuzen. »Wenn wir«, gemeint war die künftige innerdeutsche BA-Tochter, »aber neue Strecken zum Beispiel nach Frankfurt oder Hamburg einrichten wollen, dann werden eben die Karten neu gemischt«, sagte Wietfeld.

Schmid sagte auf Nachfrage, Aero Lloyd habe im Herbst keine Slots in München für den Flug nach Berlin bekommen. »British Airways fliegt aber genau auf dieser Route.« Auch die British-Airways-Destinationen Düsseldorf und Köln wären Schmids Ansicht nach für Aero Lloyd ein interessantes Ziel von Berlin aus.

»Wir haben uns da in der Vergangenheit zurückgehalten, weil ja die Möglichkeit enger Kooperation mit British Airways bestand.« Der Sprecher räumte allerdings ein, daß die Aero-Lloyd-Führung noch nicht über die Ausweitung ihres Berlin- Engagements entschieden habe.

Der für die Vergabe der Slots zuständige Flugplankoordinator Claus Ulrich sagte in Frankfurt, er habe den Standpunkt von Aero Lloyd zur Kenntnis genommen.

Er verwies an das Bundesministerium für Verkehr, das solche Fragen zu entscheiden habe. Aber »bisher hat eine Tochtergesellschaft von British Airways noch gar keine An- und Abflugzeiten für den Sommerflugplan beantragt. Übrigens auch EuroBerlin nicht.«

Luftfahrtexperten in Frankfurt hielten den Erfolg von Aero Lloyd bei dem Lufthansa/PanAm-Deal nicht für vergleichbar mit dem, was jetzt ansteht.

Damals seien letztlich kartellrechtliche Aspekte ausschlaggebend gewesen, nun aber stehe nicht zur Debatte, daß etwa die British-Airways-Tochter eine Monopolfunktion im Berlin-Flugverkehr einnehmen könne.

Klar sei, daß die Lufthansa in Berlin den größten Anteil der Slots erhalte — das entspreche der Markt- und auch der Nachfragesituation. Thomas Rietig (ap)