GASTKOMMENTAR
: Glaubensfrage Olympia

■ Zur Olympia-Bewerbung des Landes Berlin

Die Übergabe der Berliner Bewerbungsunterlagen an NOK- Chef Daume war eigentlich nur eine Formalität — die olympischen Ambitionen der Stadt hatten schließlich niemandem verborgen bleiben können. Und dennoch hat das Übergabe-Ritual im Roten Rathaus alle Kommentatoren wieder hinter dem Ofen hervorgelockt: die allzeit Begeisterten ebenso wie die ewigen Kritiker. Olympia ist an der Spree längst zur Glaubensfrage stilisiert. Jedenfalls beinahe. Besonders die Kritikaster werfen sich mächtig ins Zeug, wenn es nachzuweisen gilt, daß zielstrebiges Sporttreiben ohnehin nur Doping hieße, daß der Show-Sport ja nur die allerniedrigste Form kultureller Darbietung wäre. Und überhaupt: Kultur? I wo.

Großsportveranstaltungen unterliegen bei der Beurteilung scheinbar gänzlich anderen Kriterien als etwa Popkonzerte oder der alljährliche Berlinale-Trubel. Womit sich die Rockstars in der Waldbühne zu Höchstleistungen dopen, ist natürlich kein Thema. Aber der Sport! Bei den Bauten dasselbe Beurteilungs-Splitting: Olympische Großarenen stören das Auge oder Stadtbild scheinbar mehr und nachhaltiger, als es die Heimstätten der übrigen Kultur von ICC bis Deutsche Oper je vermächten. Die Olympia-Frage stellt sich für Berlin leider sehr simpel: Kann die Stadt, können ihre Menschen (die, die nicht die Gnade der Verbeamtung genießen und die sich sorgen, ob sie morgen noch Brot und Arbeit finden) auf die 3,5 Milliarden zusätzliche Finanz- und Investitionsspritze verzichten? Nicht Kindergärten, Wohnungen, Nahverkehr und Krankenhäuser statt, sondern wegen Olympia, so stellt sich das Ganze dar.

Daß Großprojekte wie Olympia 2000 am Ende dann auch wirklich der ganzen Stadt zugute kommen und nicht nur der Edel-Hotellerie und der Bauwirtschaft, dafür müssen die Berlinerinnen und Berliner allerdings schon selbst eintreten. Und darin unterscheiden sich Herrn Diepgens Olympiabauten von Frau Schreyers Buga-Hochhaus-Stadt wirklich nicht einen Deut. Dietmar Bothe

Der Autor ist Vorsitzender eines großen Berliner Sportvereins und beim Landessportbund Berlin als Öffentlichkeitsreferent beschäftigt. Er antwortet mit diesem Kommentar auf die Kritik von Ex- Sportstaatssekretär Kuhn (AL) in der taz vom 8. März.